Man hat es mit der Zeit einfach liebgewonnen: Der kostenlose Kaffee – in manchen Fällen sogar mit hochwertiger Barista-Kaffeemaschine zubereitet – und auch sonstige Snacks, die der Arbeitgeber seinem Personal zur Verfügung stellt. Sobald dann allerdings die Zeiten härter werden und gespart werden muss, wird dieser liebgewonnene Service von heute auf morgen eingestellt. Doch geht das so einfach?
In der Regel wird es über das kostenfreie Zurverfügungstellen von Kaffee, Kaltgetränken, Lebensmitteln und ähnliche keinerlei irgendwie geartete schriftliche Grundlage geben. Ebenso wenig werden solche Vergünstigungen vom Arbeitgeber unter einem sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt erbracht (z. B. versehen mit einer Mitteilung, die lautet "Wir stellen Ihnen während des Arbeitstages Heiß- und Kaltgetränke unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs bis auf Weiteres zu Verfügung"). Wenn es solche Grundlagen nicht gibt, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
Ein Anspruch auf weiterhin kostenloses Zurverfügungstellen von Getränken könnte sich aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung ergeben. Die sogenannte betriebliche Übung basiert auf den Grundsätzen des Vertragsrechts, ist jedoch im Gesetz nicht explizit geregelt. Ihre rechtliche Grundlage findet sich im allgemeinen Teil des BGB, insbesondere in §§ 133, 157 und § 242 BGB. Das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung wurde sodann durch die Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (weiter-)entwickelt. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen schließen können, ihnen werde eine Leistung oder aber auch eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt.
Das Bundesarbeitsgericht definiert die betriebliche Übung als „ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt“ (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2008, Az.: 3 AZR 194/07, Rz. 29)
Dieses Verhalten des Arbeitgebers wird dann als (konkludentes) Vertragsangebot gewertet, das von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB). Es ist also keine gesonderte Erklärung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erforderlich. Die Inanspruchnahme der Vergünstigung (also das Trinken des Kaffees) stellt die Annahme des Angebots dar. Hieraus erwachsen dann die vertraglichen Ansprüche auf die zwischenzeitlich üblich gewordenen Leistungen.
Betriebliche Übung ist dabei grundsätzlich auch bei jeder Art von Verhalten bezogen auf alle arbeitsvertraglichen Inhalte denkbar. Dies kann Fahrtkostenzuschüsse, Fortbildungskosten oder eben auch die Zurverfügungstellung sonstiger Vergünstigungen wie Getränke und Essen beinhalten.
Durch das im Verhalten des Arbeitgebers liegende konkludente Angebot auf Gewährung einer Vergünstigung und die stillschweigende Annahme der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden die so entstandenen Vergünstigungen Bestandteil des Arbeitsvertrages. Ob der Arbeitgeber sich insoweit binden wollte, spielt grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruches ist nämlich nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers sondern, wie der Erklärungsempfänger, das heißt, der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin, die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte.
Eine allgemeinverbindliche Regelung, ab welcher Anzahl des regelmäßigen Erbringens von Leistungen bzw. Vergünstigungen ein Arbeitnehmer erwarten darf, dass er die Leistung dauerhaft erhält, gibt es nicht. Das kostenlose Zurverfügungstellen von Getränken erfolgt jedoch in der Regel werktäglich. Daher dürfte bereits nach wenigen Wochen eine vorbehaltlose Gewährung dieser Vergünstigungen zur Verbindlichkeit erstarkt sein.
Nachdem die entsprechenden Vergünstigungen damit Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden sind, können sie in der Folge nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber „geändert“ oder „zurückgenommen“ werden. Es bedürfte hierzu hier vielmehr der Zustimmung des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin. Um also hier eine Änderung der betrieblichen Übung herbeizuführen, müsste mit den jeweiligen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein Änderungsvertrag geschlossen wird.
Doch was ist zu tun, wenn der Arbeitgeber den „Service“ einfach einstellt? Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wären dann gehalten, ihren vertraglichen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Getränken und Lebensmitteln gerichtlich geltend zu machen. Zu beachten ist dabei, dass auch wirklich jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin gerichtlich vorgehen müsste. Wenn nämlich nur ein einzelner Arbeitnehmer vorgeht und dieser dann vor dem Arbeitsgericht obsiegt, hätte ein solches Urteil auch nur Bedeutung für dieses eine Arbeitsverhältnis, nicht jedoch für die übrigen Arbeitsverhältnisse.