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Diskriminierung durch Stellenanzeige wegen Alters: „Digital Native“ führt zu Entschädigungsanspruch

In einem interessanten Urteil vom 07.11.2024 (Az.: 17 Sa 22/24) entschied das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zugunsten eines abgelehnten Bewerbers, der aufgrund seines Alters bei einer Bewerbung benachteiligt wurde. Die Formulierung „Digital Native“ in einer Stellenausschreibung wurde als Indiz für eine altersbezogene Diskriminierung gewertet. Das Gericht sprach dem Kläger eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 7.500 € zu.

Sachverhalt: Bewerbung auf Kommunikationsstelle – Ablehnung mit Altersbezug

Der Kläger, ein 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist, bewarb sich auf eine ausgeschriebene Position als „Manager Corporate Communications“ bei einem international tätigen Sportartikelunternehmen. Die Stellenanzeige enthielt unter anderem die Formulierung: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media […] zu Hause.“

Nach Ablehnung seiner Bewerbung erhob der Kläger Klage auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit der Begründung, die Stellenanzeige benachteilige ihn aufgrund seines Alters. Insbesondere der Begriff „Digital Native“ adressiere eine jüngere Bewerbergeneration und stelle somit eine unzulässige Altersdiskriminierung dar.

Gerichtsentscheidung: Altersdiskriminierung durch Sprache der Stellenanzeige

Das LAG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Heilbronn weitgehend:

  • Verstoß gegen § 11 AGG: Der Begriff „Digital Native“ sei generationenspezifisch konnotiert und stelle damit ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar.
  • Keine wirksame Widerlegung durch den Arbeitgeber: Die Beklagte konnte nicht substantiiert darlegen, dass ausschließlich sachliche Gründe zur Ablehnung des Bewerbers geführt hätten. Ein allgemeiner Verweis auf Überqualifikation oder Gehaltsvorstellungen reiche hierzu nicht aus.
  • Kein Rechtsmissbrauch: Das Gericht sah in der Bewerbung des Klägers keinen vorgeschobenen Entschädigungsversuch. Seine Qualifikationen entsprachen dem ausgeschriebenen Profil, seine Gehaltsvorstellung war nachvollziehbar, und seine Mobilität war gegeben.

Rechtliche Einordnung: Begriff „Digital Native“ kann AGG-Verstoß begründen

Die Entscheidung unterstreicht, dass die Sprache in Stellenanzeigen rechtlich hochrelevant ist. Begriffe mit generationeller Prägung – wie „Digital Native“, „dynamisches Team“ oder „Teambuddy“ – können mittelbar oder unmittelbar gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, diskriminierungsfreie und neutrale Formulierungen zu wählen.

Praxis-Tipp für Arbeitgeber

  • Vermeiden Sie Begriffe, die Alters-, Geschlechts- oder Herkunftsbezüge implizieren.
  • Prüfen Sie Stellenausschreibungen hinsichtlich potenzieller AGG-Risiken.
  • Dokumentieren Sie objektive Auswahlkriterien und das Bewerbungsverfahren zur Beweisvorsorge.

Fazit: AGG-Compliance beginnt bei der Sprache

Dieses Urteil ist ein eindringlicher Hinweis darauf, dass schon die Wortwahl in Stellenanzeigen haftungsrelevant sein kann. Kanzleien, HR-Abteilungen und Personalverantwortliche sollten die Rechtsprechung zum AGG im Blick behalten und sich bei Unsicherheiten anwaltlich beraten lassen.