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Telemedizin in Apotheken – eine neue Form ärztlicher Behandlung

Der Gesetzgeber hat den Apotheken die Möglichkeit eröffnet, ärztliche Leistungen innerhalb ihrer Geschäftsräume anzubieten. Gemeint ist dabei eine ärztliche Behandlung der Patienten und Patientinnen unter ausschließlichem Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien und räumlicher Trennung zwischen Arzt und Patient (Fernbehandlung).

Erarbeitet werden müssen allerdings noch konkrete Konzepte, welche die von Apotheken assistierte Telemedizin inhaltlich ausgestalten. Der Gesetzgeber hat hier den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Apotheken, der Kassenärzte und der Privaten Krankenversicherer einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Geklärt werden muss insbesondere, in welcher Form (z.B. Gesundheitsboxen in Apotheken) und in welcher sonstigen technisch organisatorischen Ausgestaltung die assistierte Telemedizin erbracht werden darf. Die betreffenden Regelungen der Spitzenverbände wurden bislang noch nicht verabschiedet. Der Gesetzgeber hat hier den Selbstverwaltungsorganen eine Frist eingeräumt. Es gilt jedoch weiterhin der (strenge) Arztvorbehalt. Den Apotheken sollen lediglich einfache Routineaufgaben zur Unterstützung der telemedizinischen Leistung des Arztes oder der Ärztin erlaubt sein (beispielsweise Anleitung zur Inanspruchnahme ambulanter telemedizinischer Leistungen, Durchführung einfacher medizinischer Routineaufgaben wie z. B. Blutdruckmessung). Des Weiteren käme die Koordination von Terminvereinbarungen in Betracht.

Durch Zulassung von Telemedizin in Apotheken wurde nun erstmals eine Situation geschaffen, welche ein unmittelbares räumliches Zusammenwirken zwischen Ärzten bzw. Ärztinnen und Apothekern bzw. Apothekerinnen erlaubt. Bislang wurde stets eine bauliche Trennung der Apothekenbetriebsräume von ärztlich genutzten Räumen verlangt. Das Korruptionsrisiko, insbesondere Risko verbotener Absprachen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern sei ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch nicht zu befürchten. Eine Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Ärzten bzw. Ärztinnen ist sogar ausdrücklich erwünscht. Ein in diesem Zusammenhang verordnete E-Rezept kann regelmäßig noch vor Ort eingelöst werden, sofern dies der Patient oder die Patientin wünscht. Zwingend zu beachten ist jedoch, dass dem Patienten oder der Patientin die freie Wahl verbleiben muss, in welcher Apotheke er sein Rezept einlösen möchte (Grundsatz der freien Apothekenwahl).

Dass Apotheken nunmehr die Möglichkeiten einer ärztlichen Vor-Ort-Versorgung eingeräumt werden, ist sicherlich als innovativ zu bezeichnen. Diese Versorgung wird zumeist in Form einer technisch ausreichend mit Kommunikationstechnologie und Diagnostik ausgestatteter „Gesundheitsbox“ innerhalb der Apotheke erfolgen. Die assistierende Einbindung der Apotheken in den Behandlungsablauf stellt zunächst eine reelle Chance dar, dem überlasteten Gesundheitssystem entlastend zu begegnen. Freilich wird sich erst nach praktischer Umsetzung zeigen, ob tatsächlich von einem Erfolgsmodell gesprochen werden kann. Es werden sich sicherlich auch viele neue rechtliche Fragen ergeben. Eine zivilrechtliche Haftung der Apothekenbetreiber auf Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen ärztlicher Behandlungsfehler ist eine dieser Fragen und stellt eine neue Herausforderung für Patientenanwälte und Patientenanwältinnen, für Haftpflichtversicherer und für mit Arzthaftungssachen befassten Gerichten dar.