Begrifflich gesehen sind leitende Angestellte bzw. Fach- und Führungskräfte solche Personen, denen unternehmerische Teilfunktionen und/oder wichtige Arbeitgeberfunktionen übertragen wurden. Denn ab einer gewissen Größe ist der Unternehmer nicht mehr in der Lage, sein Unternehmen alleine zu führen. Er bedarf der Unterstützung und Loyalität durch so genannte leitende Angestellte. Er erwartet ein uneingeschränktes Zurverfügungstehen und eine Vertretung nach außen ohne Gegnerschaft zum Arbeitgeber.
Auch die leitenden Angestellten gelten als Arbeitnehmer. Sie wurden im Laufe der Zeit in die Arbeitnehmerschutzgesetze mit einbezogen und erhielten beispielsweise auch einen beschränkten Kündigungsschutz nach § 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Sie haben jedoch nach wie vor einen Sonderstatus, da sie den Arbeitgeber regelmäßig vertreten und den betrieblichen Entscheidungsprozess mitgestalten.
Der Begriff des leitenden Arbeitnehmers wird vom Gesetz nicht einheitlich verwendet. Je nach Zweck des Gesetzes wird er unterschiedlich festgelegt. Das macht die rechtliche Behandlung eines leitenden Angestellten auch schwierig. Gerade die kündigungsschutzrechtliche Einordnung hat dabei weitreichende Folgen. Der leitende Angestellte hat zwar Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis jedoch gem. § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG regelmäßig gegen Zahlung einer Abfindung beenden. Man spricht daher auch mehr von einem „Abfindungsschutz“ als einem „Kündigungsschutz“.
Auch in anderen Arbeitnehmerschutzgesetzen bestehen Sonderregelungen. Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) müssen leitende Angestellte die starren Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) nicht beachten. Zudem findet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auf leitende Angestellte keine Anwendung, soweit nicht in dem Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird. In diesem Zusammenhang werden die Interessen der leitenden Angestellten nicht durch den Betriebsrat, sondern durch den Sprecherausschuss vertreten. Es gilt hier ein eigenständiges Gesetz, nämlich das Sprecherausschussgesetz (SprAuG).
Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) stellt sich zunächst immer die Frage, ob der Arbeitnehmer leitender Angestellter i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG ist. Eine solche Stellung würde nämlich bedeuten, dass zunächst ein Kündigungseinspruch beim Betriebsrat nach § 3 KSchG ausgeschlossen wäre und ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzprozess nicht gesondert begründet werden müsste (§ 14 Abs. 2 S. 1, 2 KSchG). Vorausgesetzt für eine entsprechende Qualifizierung ist, dass der Arbeitnehmer zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Personal befugt ist. Diese Einstellungs- und Entlassungsbefugnis verlangt, dass der Angestellte hierzu im Innen- und Außenverhältnis berechtigt ist. Häufig fehlt es jedoch an einer solchen Selbständigkeit. Ganz häufig wird nämlich gerade in größeren Unternehmen für die Einstellung nachgeordneter Arbeitnehmer die vorherige Zustimmung der Personalabteilung und/oder der Geschäftsleitung erforderlich sein. Zudem kann diese selbständige Einstellungs- oder Entlassungsberechtigung nur dann zum Tragen kommen, wenn sie sich auf eine erhebliche Anzahl von Personen bezieht.
Demgegenüber hat der Begriff des leitenden Angestellten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne andere Voraussetzungen. Die Definition ist weniger eng als bei dem leitenden Angestellten im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Der leitende Angestellte im kündigungsschutzrechtlichen Sinne muss immer über die Befugnis zur Entlassung oder Einstellung verfügen. Nach der betriebsverfassungsrechtlichen Definition genügt es dagegen, wenn der Angestellte Aufgaben wahrnimmt, die aufgrund ihrer Bedeutung für das Unternehmen wesentlich sind oder er seine Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft (vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG). Die weniger enge Definition ergibt sich auch durch die Hilfsregel der § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BetrVG und § 5 Abs. 4 BetrVG:
Nach § 5 Abs. 3 ist ein leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
„1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
Nach § 5 Abs. 4 ist leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 im Zweifel, wer
„1. aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
Zusammenfassend gelten für leitende Angestellte vor allem sechs gesetzliche Sonderregelungen. Sie sind von den Vorschriften über die Arbeitszeit ausgenommen, gelten im Sinne der Betriebsverfassung nicht als Arbeitnehmer, dürfen nur auf Arbeitgeberseite als ehrenamtliche Richter bei den Arbeits- und Sozialgerichten eingesetzt werden, sind zum Sprecherausschuss wahlberechtigt, unterliegen besonderen Vorschriften nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und ihr Arbeitsverhältnis kann im Kündigungsschutzprozess auf nicht gesondert zu begründenden Antrag des Arbeitgebers immer gegen Zahlung einer Abfindung beendet werden. Regelmäßig werden zudem die Arbeitsverträge der leitenden Angestellten nicht von den allgemeinen Tarifverträgen erfasst. Gleichwohl schießen auch einzelne Organisationen leitender Angestellter Tarifverträge ab.
Abzugrenzen sind leitende Angestellte schließlich „nach oben“ von den Organmitgliedern juristischer Personen (GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände). Diese stellen soziologisch betrachtet die oberste Stufe der leitenden Angestellten dar. Organmitglieder werden in arbeitsrechtlicher Hinsicht nicht zu den Arbeitnehmern gezählt. Sie üben die oberste Weisungsbefugnis im Unternehmen aus. Gleichwohl können aber einzelne Arbeitnehmerschutzvorschriften auch auf Organmitglieder wie Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder zur Anwendung kommen. Das gilt es in jedem Fall gesondert zu untersuchen.
Im Einzelfall ist jedenfalls immer eine juristische Abgrenzung dahingehend vorzunehmen, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich als leitender Angestellter einzustufen ist. Es gilt insbesondere abzugrenzen, ob der Arbeitnehmer leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ist oder ob er das (nur) im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist. Diese Einordnung ist oft ganz entscheidend. Nur wenn sich der leitende Angestellte tatsächlich auf den (uneingeschränkten) Kündigungsschutz berufen kann, stärkt das seine Verhandlungsposition bei Abfindungsverhandlungen ganz erheblich. Aber oft bietet gerade die bestehende rechtliche Unsicherheit ein erhebliches Potential für Abfindungsverhandlungen.
Schließlich erfordert vice versa auch ein Agieren auf Arbeitgeberseite eine ganz besondere Vorsicht, um hier nicht für das Unternehmen ein ganz erhebliches Annahmeverzugsrisiko im Falle einer Kündigung zu begründen. Die Beratung und Vertretung im Zusammenhang mit leitenden Angestellten setzt daher eine sorgsame juristische und taktische Vorgehensweise voraus.
Um die Problematik einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Oftmals werden im Bereich der Heil- und Pflegeberufe Chefärzte ganz selbstverständlich als leitende Angestellte qualifiziert. Tatsächlich erfüllt ein Chefarzt die jeweiligen Voraussetzungen im kündigungsschutzrechtlichen Sinn jedoch regelmäßig nicht. Er ist nämlich oftmals nur in Ausnahmefällen zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von nachgeordneten Oberärzten, Assistenzärzten und Pflegekräften befugt. In der Regel wird nämlich eine zusätzliche Stellenfreigabe durch den Krankenhausträger erforderlich sein und die Abwicklung und Einstellung durch die Personalabteilung erfolgen. Man wird daher sagen müssen, dass sich die Einstellungsbefugnis lediglich auf die Beurteilung der fachlichen Qualifikation reduziert.
Auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne liegen in den meisten Fällen nicht die Voraussetzungen vor, um den Chefarzt als leitenden Angestellten einzuordnen. Alleine die Stellung als Chefarzt begründet eine solche Einordnung nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht explizit entschieden (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.05.2010 – 7 ABR 97/08). Der Chefarzt muss vielmehr nach Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in dem Krankenhaus der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen sein und unternehmens- und betriebsleitende Entscheidungen entweder selbst treffen oder maßgeblich vorbereiten.
Dieses Beispiel zeigt daher recht anschaulich, dass das „Level“ mitunter hoch ist. Das gilt natürlich auch für andere leitende Angestellte und Fach- und Führungskräfte. Auch hier stellen sich die aufgeworfene Frage gleichfalls. Auch hier ist regelmäßig eine sorgfältige Einzelfallüberprüfung durch einen in diesem Rechtsgebiet spezialisierten und versierten Arbeitsrechtler für leitende Angestellte und Fach- und Führungskräfte erforderlich.
Das Recht auf Nicht- oder Unerreichbarkeit ist häufig unter leitenden Angestellten, Fach- und Führungskräften und im Schichtdienst Arbeitenden wie Pflegekräfte und Krankenhausmitarbeitende ein viel beachtetes und stark diskutiertes Thema. Die oftmals in der Freizeit geforderte Erreichbarkeit über Telekommunikationsmittel wie Mobilfunk, SMS, WhatsApp oder E-Mail führt bei den Arbeitnehmenden oftmals zu Stress. Arbeitnehmende fühlen sich ggf. einem Überwachungsdruck ausgesetzt, der den unbeschwerten Genuss der Freizeit nicht unerheblich beeinträchtigt. Demgegenüber wird vertreten, dass die Arbeitnehmenden auch außerhalb einer vertraglich vereinbarten Rufbereitschaft oder eines Bereitschaftsdienstes eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht dahingehend treffe, beispielsweise kurzfristige Dienstplanänderungen per SMS oder WhatsApp oder auch per Telefon zur Kenntnis zu nehmen. Der Arbeitgebende müsse eine Arbeitszeitkonkretisierung auch kurzfristig vornehmen können. Auch seien die Arbeitnehmenden gehalten, während ihrer Freizeit für dringend benötigte Auskünfte zur Verfügung zu stehen. Die Gegner dieser Auffassung führen dagegen an, dass der sich daraus ergebende „Erreichbarkeitsdruck“ das auch grundgesetzlich gemäß Art. 1, 2 GG geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmenden verletze und demnach nicht – auch nicht als vertragliche Nebenpflicht – geschuldet sei.
Zu dieser Auffassung ist beispielsweise das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einem für Fachleute eher überraschenden Urteil vom 27.09.2022 gelangt (Az. 1 Sa 39öD/22). Obgleich es nach bundesdeutschem Recht kein „Recht auf Nichterreichbarkeit“ gebe, wurde in diesem Urteil gleichwohl ein Recht der Arbeitnehmenden auf Nichterreichbarkeit in ihrer Freizeit zugrunde gelegt. Der dortige Fall betraf einen Notfallsanitäter, dem eine kurzfristige Änderung seines Dienstplanes per SMS mitgeteilt worden war. Der Notfallsanitäter hatte auf diese SMS nicht reagiert. Er verlangte jedoch die Vergütung aus Gründen des Annahmeverzuges im Hinblick auf den ursprünglich anberaumten Dienst. Diesem Verlangen wurde stattgegeben. Die dem Notfallsanitäter erteilte arbeitsrechtliche Abmahnung wurde als unzulässig erachtet und sollte aus der Personalakte entfernt werden müssen.
Das Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht hat diese Rechtsauffassung jedoch verworfen. Es war nämlich in seinem Revisionsurteil vom 23.08.2023 (Az. 5 AZR 349/22) der Auffassung, dass der Arbeitgebende auch Dienstanweisungen bzw. Diensteinteilungen per SMS an arbeitsfreien Tagen verschicken könne. Den Arbeitnehmenden treffe dann die vertragliche Nebenpflicht, entsprechende Weisungen zur Kenntnis zu nehmen. Eine solche Kenntnisnahme sei zumutbar. Beide Arbeitsvertragsparteien seien gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Dazu gehörten auch Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes dienten. Arbeitnehmende müssten zwar nicht dauerhaft und ununterbrochen erreichbar sein, sie müssten schließlich auch nicht den ganzen Tag ihr Handy im Blick haben und sich dienstbereit halten, es sei aber zu erwarten, dass man zumindest einmal am Tag sein Mobiltelefon dahingehend überprüfe, ob eine Nachricht des Arbeitgebenden zur Dienstzeitkonkretisierung erfolgt sei.
In der Praxis bedeutet das, dass es kein „absolutes“ Recht auf Nichterreichbarkeit während der Freizeit gibt. Insbesondere im Hinblick auf Schichteinteilungen und entsprechende Änderungen beispielsweise wegen Krankheit anderer Arbeitnehmender rechtfertigen es, den Arbeitnehmenden eine Verpflichtung aufzuerlegen, sich über die Arbeitssituationen zu informieren. Tut der Arbeitnehmende das nicht, kann er beispielsweise seiner Vergütung verlustig gehen. Verlustig geht er seiner Vergütung dahingehend, dass er weder während der geänderten Arbeitszeit noch während der ursprünglich angeordneten Arbeitszeit gearbeitet hat. Darüber hinaus würde sich der Arbeitnehmende auch pflichtwidrig verhalten. Das entsprechende Verhalten könnte arbeitsrechtlich abgemahnt werden. Anderweitig stellt sich häufig die Frage, inwieweit der Arbeitgebende von den Arbeitnehmenden auch sonstige Auskünfte in Bezug auf die Tätigkeit des Arbeitnehmenden während der arbeitsfreien Zeit verlangen kann. Auch diese Frage ist umstritten. Insoweit wird man allerdings auf Bedeutung, Inhalt und Umfang der begehrten Auskunft abstellen müssen. Für leitende Angestellte und Fach- und Führungskräfte wird man hier einen anderen Maßstab anlegen müssen. Aber auch hier ist es regelmäßig eine Frage der Zumutbarkeit, ob man überhaupt und gegebenenfalls in welchen Abständen eine Erreichbarkeit erwartet werden kann. Ohne vorherige Anweisungen für bestimmte Zeiten wird man dem Arbeitnehmenden jedoch nur schwerlich eine Pflichtverletzung unterstellen können. Maßgeblich ist schließlich auch der Umfang der geforderten Erreichbarkeit. Es darf zudem die Grenze der ohnehin als Arbeitszeit geltenden Rufbereitschaft oder des Bereitschaftsdienstes nicht überschritten werden. Letztendlich ist es aber auch hier wieder eine Frage des Einzelfalles, inwieweit hier eine Nebenleistungspflicht der Führungskraft besteht. Ein absolutes Recht auf Nichterreichbarkeit gibt es jedenfalls weder für „einfache“ Arbeitnehmende noch für leitende Angestellte oder Fach- und Führungskräfte.
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