Strategien zur Erhöhung der Abfindung

Strategien zur Erhöhung der Abfindung in einem Kündigungsschutzprozess oder vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages – Taktiken der Arbeitnehmendenseite in Zusammenhang mit Kündigungen

In einem Kündigungsschutzprozess gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Höhe einer Abfindung zu beeinflussen und sogar zu steigern. Ein echter Mehrwert für den Arbeitnehmenden ergibt sich regelmäßig dann, wenn eine Abfindung oberhalb der üblichen Faustformel erstritten wird (0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr). Das setzt jedoch eine auf den Einzelfall angepasste Taktik und Prozessführung voraus. Dabei kommt es vor allem auf eine kluge Verhandlungsführung, eine gute Vorbereitung und das Ausschöpfen aller rechtlichen und taktischen Mittel an. Im Einzelnen dreht es sich um folgende Aspekte, die man als Arbeitnehmendenvertreter oder -vertreterin geschickt einsetzen muss:

  • Rechtliche Angriffspunkte identifizieren

    Zunächst ist es entscheidend, die rechtliche Grundlage der Kündigung zu überprüfen und mögliche Angriffspunkte zu finden. Dies umfasst insbesondere folgende Aspekte:

    Formfehler der Kündigung: Es sollte geprüft werden, ob die Kündigung formell korrekt ist. Dies umfasst die Einhaltung der Schriftform, die originale Unterschrift durch den Kündigungsberechtigten, die Kündigungsberechtigung selbst und gegebenenfalls die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats oder fehlende Zustimmung des Inklusionsamtes. Bereits kleinste Fehler können die Kündigung unwirksam machen. Entsprechende Formfehler werden von Arbeitsgerichten gerne aufgegriffen. Das zeigt die Erfahrung. Sie sind leicht und schnell zu entscheiden. Die Begründung des Urteils erfordert keinen wesentlichen Aufwand.

    Fehler in der Sozialauswahl: Bei betriebsbedingten Kündigungen muss der Arbeitgebende eine Sozialauswahl vornehmen, bei der Faktoren wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt werden. Fehler in der Sozialauswahl sind justiziabel.

    Unzureichende (materielle) Kündigungsgründe: Der Arbeitgebende muss den Kündigungsgrund im Kündigungsschutzprozess schlüssig darlegen und auch beweisen. Zweifel gehen immer zu seinen Lasten. Wenn die Gründe (betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt) nicht „schlüssig“ sind, d.h. sogar bei Wahrunterstellung eine Kündigung nicht rechtfertigen können, oder möglicherweise nicht bewiesen werden können, kann dies als Argument für eine erhebliche Abfindungssteigerung herangezogen werden. Das gilt es als Arbeitnehmendenvertreter gezielt aufzuzeigen. Es gilt mithin dem Arbeitgebenden das Risiko einer Niederlage darzustellen. Gleichfalls darzustellen sind die damit verbundenen finanziellen Nachteile des Arbeitgebenden wie Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und gleichzeitig Nachzahlung der Vergütung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin für die Dauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses (ggf. durch mehrere Instanzen).


  • Druck auf den Arbeitgebenden ausüben

    Um eine höhere Abfindung zu erzielen, ist es wichtig, den Arbeitgebenden unter Druck zu setzen. Dies kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

    Prozessrisiko aufzeigen: Eine starke Argumentation und das Präsentieren stichhaltiger Beweise können dem Arbeitgebenden verdeutlichen, dass er ein hohes Risiko einer Prozessniederlage eingeht. Ein drohendes Urteil zu Ungunsten des Arbeitgebenden steigert bei sachgerechter und das Prozessrisiko wägender Prozessführung häufig die Bereitschaft, eine höhere Abfindung zu zahlen.

    Öffentlichkeit vermeiden: Viele Arbeitgebende möchten vermeiden, dass der Prozess und die dahinterstehenden Probleme öffentlich bekannt werden (in und außerhalb des Betriebes). Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen, bei denen ein öffentlich geführter Kündigungsprozess dem Ruf schaden könnte. Das gilt aber auch bei kleineren und mittleren Unternehmen. Gerichtliche Auseinandersetzungen werden nämlich auch häufig innerhalb der Belegschaft als störend empfunden. Sie belasten das Betriebsklima allgemein. Sie können auch als Indizien für eine finanzielle Schieflage des Unternehmens interpretiert werden. Diese Umstände können gezielt genutzt werden, um Verhandlungen in Richtung einer höheren Abfindung zu lenken.

    Zeitlicher Druck: Ein Gerichtsprozess kann sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Für Arbeitgebende, die an einer schnellen Klärung interessiert sind, kann dies ein Anreiz sein, eine höhere Abfindung anzubieten, um Zeit und Kosten zu sparen.


  • Verhandlungsposition stärken

    Eine gut vorbereitete und strategisch durchdachte Vorgehensweise kann die eigene Verhandlungsposition erheblich verbessern:

    Gute Vorbereitung: Eine gründliche Vorbereitung ist unerlässlich. Dazu gehört die Beschaffung aller relevanten Unterlagen, wie etwa Arbeitszeugnisse, interne E-Mails, Informationen aus dem Intranet oder Informationen zu Vergleichsgruppen im Unternehmen. Auch Vorwürfe wie Mobbing oder Diskriminierung sollten dokumentiert werden, wenn sie zur Untermauerung der eigenen Position dienen können.

    Drohung mit Wiedereinstellung: Es kann hilfreich sein, deutlich zu machen, dass man bereit ist, auf die Wiedereinstellung zu bestehen. Dies ist vor allem in Fällen wirksam, in denen eine Wiedereinstellung für den Arbeitgebenden problematisch wäre, etwa aufgrund von Spannungen im Arbeitsumfeld oder Abteilung oder organisatorischen Schwierigkeiten.


  • Weitere Argumentation für eine höhere Abfindung

    Um die Höhe der Abfindung zu beeinflussen, ist eine geschickte Argumentation erforderlich. Dabei sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

    Kosten für den Arbeitgebenden betonen: Es ist sinnvoll, dem Arbeitgebenden aufzuzeigen, dass ein langwieriger Prozess mit erheblichen Kosten verbunden ist. Diese Kosten könnten unter Umständen höher ausfallen als die Zahlung einer angemessenen Abfindung.

    Vergleichsfälle anführen: Informationen über ähnliche Fälle, in denen höhere Abfindungen gezahlt wurden, können als Verhandlungsgrundlage dienen. Solche Beispiele schaffen eine Orientierung und erhöhen den Druck auf den Arbeitgebenden (auch wenn es keinen echten Anspruch auf Geleichbehandlung bei der Abfindungshöhe gibt).


  • Geschickte Kommunikation und Verhandlung

    Die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt werden, spielt eine entscheidende Rolle:

    Professionelle Verhandlungsführung: Es ist wichtig, sachlich und konsequent aufzutreten. Persönliche Angriffe oder emotionales Verhalten sollten vermieden werden, da dies die Verhandlungsposition schwächen könnte.

    Unterstützung durch einen erfahrenen und taktisch versiert agierenden Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Fachanwältin für Arbeitsrecht: Ein solcher Fachanwalt bzw. Fachanwältin für Arbeitsrecht, ggf. vielleicht auch mit speziellen Markt- und Branchenkenntnissen (z. B. Gesundheitswirtschaft, Bereiche Heilkunde und Pflege, Vertrieb oder IT-Bereich) und/oder Kenntnissen zu speziellen Arbeitnehmendengruppen wie leitende Angestellte bzw. Fach- und Führungskräften, kann die Erfolgsaussichten erheblich verbessern. Er oder sie kennt die rechtlichen Möglichkeiten regelmäßig besser und kann gezielt Druck auf den Arbeitgebenden ausüben, um eine höhere Abfindung zu erzielen


  • Netzwerke und Informationen nutzen

    Schließlich kann es hilfreich sein, Informationen aus dem Unternehmen oder von Kollegen bzw. Kolleginnen zu sammeln. Ebenfalls hilfreich kann es sein, sich mit anderen Prozessbevollmächtigten anderer Arbeitnehmender kollegial auszutauschen. Solche Insider-Informationen können wertvolle Argumente liefern, beispielsweise zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens oder zu Fehlern in der Kündigungspraxis. Ein Vorteil liegt hier sicherlich darin, einen regional gut vernetzten Fachanwalt oder Fachanwältin für Arbeitsrecht einzuschalten.

  • Fazit:

    Mit einer geschickten Kombination dieser Strategien lassen sich die Chancen auf eine höhere Abfindung in einem Kündigungsschutzprozess erheblich steigern. Die richtige Vorbereitung, fundierte rechtliche Argumente und eine kluge Verhandlungsführung sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Die Taktik im Kündigungsschutzprozess auf Arbeitnehmendenseite ist in der Praxis ein häufig vernachlässigtes Thema. Richtigerweise sollte hier jedoch ein Schwerpunkt der rechtsanwaltlichen Arbeit liegen.

Johannes Falch, MBA

Rechtsanwalt
Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht

Zertifizierter Berater für Kündigungsschutzrecht (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)

Zertifizierter Berater Arbeitsrecht für leitende Angestellte/Führungskräfte (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)

Dr. iur. Rasso Graber, LL.M. (EUR.)

Rechtsanwalt
Partner
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht