Das Niederstwertprinzip im Erbrecht – einfach erklärt

Warum das Niederstwertprinzip im Erbrecht wichtig ist

Im Erbrecht spielt die Bewertung von Vermögenswerten eine zentrale Rolle – insbesondere dann, wenn es um steuerliche Fragen oder die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften geht. Ein zentrales Prinzip, das hierbei zur Anwendung kommt, ist das sogenannte Niederstwertprinzip. Dieses Prinzip stammt ursprünglich aus dem Handels- und Steuerrecht, hat jedoch auch im Erbrecht erhebliche praktische Bedeutung.

Doch was genau verbirgt sich hinter dem Niederstwertprinzip? Und wann ist es im Erbfall anzuwenden? Diese Fragen beantworten wir im Folgenden – klar, verständlich und mit einem anschaulichen Beispiel.

Was bedeutet das Niederstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip besagt, dass bei der Bewertung von Vermögensgegenständen im Rahmen der Erbmasse grundsätzlich der niedrigere Wert von zwei möglichen Bewertungsansätzen angesetzt wird:

  1. Anschaffungs- oder Herstellungswert (historischer Wert)
  2. Aktueller Markt- oder Verkehrswert (Zeitwert zum Bewertungszeitpunkt)

Ist der Zeitwert niedriger als der historische Wert, so muss der niedrigere Wert angesetzt werden. Ziel ist es, eine vorsichtige und realistische Bewertung zu gewährleisten – insbesondere im Hinblick auf steuerliche Konsequenzen oder die faire Verteilung zwischen Erben.

Anwendung im Erbrecht: Wann gilt das Niederstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip ist keine gesetzliche Regelung des Erbrechts im engeren Sinne, sondern ein Bewertungsgrundsatz, der insbesondere bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen wegen Schenkungen zu Lebzeiten zum Tragen kommt.

Beispiel aus der Praxis: Das verschenkte Haus

Stellen Sie sich vor, ein Erblasser hat vor fünf Jahren sein Heim an seine Geliebte überlassen (Wert: 1 Million Euro). Die Schenkung erfolgte unter Zurückbehaltung eines lebenslangen Nießbrauchrechts. Zum Zeitpunkt seines Todes ist das bebaute Grundstück 10 % im Wert gestiegen, mithin EUR 1.100.000,00 wert.

Frage: Welcher Wert zählt für die Bewertung für Pflichtteilsergänzungsansprüche?

Antwort: Nach dem Niederstwertprinzip wird immer der niedrigere Wert angesetzt. Vorliegend also der Wert zu 1 Million Euro. Zu beachten ist, dass der vorbehaltene Nießbrauch den Wert weiter mindert.

Warum ist das Niederstwertprinzip sinnvoll?

Das Prinzip schützt die Erben vor einer Verzerrung des Nachlasswerts. Ohne eine solche Regelung könnten Erben etwa auf einem überhöhten Wertausgleichsanspruch sitzen bleiben, obwohl der reale Marktwert viel geringer ist – insbesondere auch bei Anlagegütern, die stark schwanken (z. B. Aktien, Kryptowährungen, Fahrzeuge).

Fazit: Das Niederstwertprinzip als fairer Bewertungsmaßstab im Erbfall

Das Niederstwertprinzip ist ein bewährter Bewertungsmaßstab, der im Erbrecht transparente, realitätsnahe und gerechte Ergebnisse ermöglicht. Für Erblasser und Erben ist es daher sinnvoll, sich frühzeitig mit den Bewertungskriterien des Nachlasses zu beschäftigen – nicht zuletzt, um Fallstricke und Streit unter Erben zu vermeiden. Dabei macht es immer Sinn, die Bewertung bereits im Zeitpunkt der Vornahme der Schenkung vorzunehmen, da oftmals Jahrzehnte später eine rückwirkende Bewertung meist nicht ohne Sachverständigen erfolgen kann.

Daniela Braig

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Wirtschaftsmediatorin

Michael Heinz, Diplom-Kaufmann (Univ.)

Steuerberater
Diplom-Kaufmann (Univ.)
Partner
Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e. V.)