Das Gemeinschaftliche Testament

Fast jeder kennt es, das klassische „Berliner Testament“. Viele Eheleute haben es. Wenige wissen aber, was die Nachteile eines gemeinschaftlichen Testaments sein können.

Das Berliner Testament ist eine Unterart des sog. Gemeinschaftlichen Testaments, welches in den §§ 2265 ff. BGB geregelt ist und nur von Ehegatten errichtet werden kann. Vorteil eines Gemeinschaftlichen Testaments ist der, dass nur ein Ehegatte dieses handschriftlich abfassen muss. Der andere Ehegatte muss lediglich noch unterschreiben.

In der anwaltlichen Beratung begegnet uns auf die Frage, warum es ein Berliner Testament geworden ist, oftmals die Antwort: „Das hat doch jeder“, „Die Nachbarn/Freunde/Geschwister haben das auch“, etc. Nicht haben sich die Ratsuchenden vor der Abfassung des Testaments mit den rechtlichen Voraussetzungen befasst, was im schlimmsten Fall zu ungeliebten und unabwendbaren Folgen führen kann.

Das Berliner Testament als der Regelfall des Gemeinschaftlichen Testaments sieht vor, dass zunächst einmal längerlebende Ehegatte alles erbt. Erst, wenn auch dieser verstorben ist, erben die Kinder meist zu gleichen Teilen im Wege der Schlusserbfolge.

1. Folge: Bindungswirkung

Die wenigsten Ratsuchenden, die zu uns kommen, wissen um die sog. Bindungswirkung, die ein gemeinschaftliches Testament auslöst. Im Beispielsfall, dem Berliner Testament, wird regelmäßig eine Bindung dahingehend ausgelöst, dass das Testament nach dem Versterben eines Ehegatten vom Längerlebenden nicht mehr geändert werden kann.

2271 Abs. 2 BGB bestimmt nämlich, dass die grundsätzlich bei Einzeltestamenten bestehende Möglichkeit, jederzeit ein neues Testament zu errichten und das überholte Testament zu widerrufen, bei Gemeinschaftlichen Testamenten mit dem Tod des anderen Ehegatten erlischt. Damit soll das Vertrauen eines jeden Ehegatten auf den Bestand der gemeinsam getroffenen Nachlassplanung geschützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.04.1953, Az. IV ZB 25/53). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um sog. „wechselbezügliche Verfügungen“ handelt. Wechselbezügliche Verfügungen liegen dann vor, wenn bestimmte Verfügungen nicht ohne die anderen getroffen worden wären, z.B.: „Alleinerbe nach dem Zuerstversterbenden ist der überlebende Ehegatte (Verfügung Nr. 1). Erben nach dem Längerlebenden sind unsere Kinder zu gleichen Teilen (Verfügung Nr. 2)“. § 2270 Abs. 2 BGB bestimmt dabei eine gesetzliche Vermutung dafür, dass eine Verfügung wechselbezüglich und damit bindend ist, wenn die Ehegatten sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und dann als Schlusserben nach dem Längerlebenden solche Personen erben, die dem jeweils anderen Ehegatten nahestehen. Das Berliner Testament ist also der klassische Fall dafür, dass hier gesetzlich vermutet wird, dass die Ehegatten sich entsprechend über deren Tod hinaus binden wollten.

Das kann ein Vorteil sein, muss aber nicht.

Zum Beispiel kann so verhindert werden, dass der Ehegatte nach dem Vorversterben neu heiratet und der neue Ehegatte alles erbt. Oder das uneheliche Kind.

Gleichzeitig wird aber verhindert, dass der überlebende Ehegatte neu testieren kann, wenn ein unerwarteter Fall eintritt (wenn zum Beispiel ein Kind sich nicht so entwickelt, wie man bei der Nachlassplanung gedacht hat, sich von den Eltern entfremdet oder ein Kind unerwartet vor einem Elternteil verstirbt).

Oftmals begegnen uns in der täglichen Beratung solche Fälle. Dann sind die Möglichkeiten der Abänderung auf ganz enge Voraussetzungen begrenzt und die rechtssichere Abänderung ist dennoch risikobehaftet. Es geht dann eher um „Schadensbegrenzung“ und die Auslotung von Möglichkeiten, die Bindungswirkung nachträglich entfallen zu lassen.

Dies kann mit anwaltlicher Beratung im Vorhinein vermieden werden. Es gibt einfache Möglichkeiten, ein Gemeinschaftliches Testament so zu gestalten, dass das Risiko einer unbedachten Bindungswirkung minimiert werden kann. Gleichzeitig kann das Testament so gestaltet werden, dass auch die Vorteile der Bindungswirkung genutzt werden kann.

2. Folge: steuerliche Nachteile

Es macht es durchaus Sinn, sich zu den steuerrechtlichen Folgen eines Gemeinschaftlichen Testaments beraten zu lassen. Denn: Wenn höhere Vermögensmassen vorhanden sind (z.B. Grundbesitz, Aktien, Gesellschaften, etc.) ist der steuerliche Freibetrag schnell erreicht. Grundsätzlich hat ein Ehegatte einen steuerlichen Freibetrag von EUR 500.000,00 bei Schenkung und Erbschaft vom anderen Ehegatten (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dabei ist zu beachten, dass Schenkungen und Erbschaften innerhalb der letzten 10 Jahre zusammengerechnet werden. Wenn der andere Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt wird, fällt der gesamte Nachlass des Erstversterbenden zunächst auf Ihn. Im zweiten Erbfall erben dann die Kinder vom Letztversterbenden, bei dem sich dann auch der Nachlass des Erstversterbenden befand.

Daher ist auch zu beachten, dass der Nachlass letztlich zweimal der Besteuerung unterliegt. Einmal nach dem Erstversterbenden und einmal nach dem Letztversterbenden.

Wenn also absehbar ist, dass das Vermögen diesen Freibetrag oder den Freibetrag der Kinder nach dem Letztversterbenden von jeweils EUR 400.000,00 übersteigt, sollte dringend anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, um hier die Nachlassregelung auch steuerlich zu optimieren.

3. Folge: Pflichtteilsansprüche der Kinder

Bestimmte Verwandte der Ehegatten haben grundsätzlich sog. Pflichtteilsansprüche. Der Anspruch beläuft sich der Höhe nach auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der in §§ 1922 ff. BGB geregelt ist. Der Pflichtteil ist dabei eine von Gesetzes wegen gewährte „Mindestteilhabe“ am Nachlass des Verstorbenen insbesondere für den Fall, dass der Verstorbene einen entsprechend berechtigten Verwandten enterbt hat. Dieser Anspruch steht aber zunächst nur den direkten und nächsten Verwandten des Erblassers zu, nämlich den „Abkömmlingen“ und unter anderem auch dem Ehegatten. Bei Abkömmlingen kann es sich um Kinder, aber auch um Enkel oder Urenkel des Erblassers handeln. Dabei ist zu beachten, dass der Pflichtteilsanspruch nach jedem Ehegatten besteht.

Im Falle des Berliner Testaments, bei dem der überlebende Ehegatte zunächst alleine erbt, sind die Kinder zunächst enterbt worden. Dann steht ihnen ein Pflichtteilsanspruch zu. Dieser ist ein reiner Geldanspruch, man kann ihn also nicht gegen den Willen des Kindes in eine Sachleistung umwandeln.

So gut die familiären Verhältnisse auch sein mögen, ist es durchaus möglich, dass ein Kind nach dem Versterben eines Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem überlebenden Elternteil geltend macht. Das sollte in die Überlegungen mit eingestellt werden.

Dabei kann es sich aus steuerlichen Gründen allerdings sogar anbieten, die Steuerlast für den überlebenden Ehegatten zu vermindern, indem der Pflichtteil geltend gemacht wird und dann als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd berücksichtigt wird.

Es sollte aber auf jeden Fall eine Regelung in das Gemeinschaftliche Testament mit aufgenommen werden, die den überlebenden Ehegatten bestmöglich gegen einen Pflichtteilsanspruch der Kinder schützt, soweit er nicht als steuerliches Gestaltungsmittel genutzt werden soll.

Das Gemeinschaftliche Testament kann eine ordentliche Regelung des Nachlasses darstellen. Hierfür sollten aber die verschiedenen rechtlichen Folgen dringend beachtet werden. Mit der richtigen Gestaltung kann es ein sinnvolles Mittel sein, sich bestmöglich gegen ungeliebte Folgen abzusichern.

Daniela Braig

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Wirtschaftsmediatorin