Was passiert, wenn der Erbe den Pflichtteil nicht zahlt?

Pflichtteil – Anspruch trotz Enterbung

In Deutschland kann ein Erblasser zwar frei bestimmen, wer erben soll. Doch das Pflichtteilsrecht setzt dieser Testierfreiheit enge Grenzen. Nahe Angehörige – insbesondere Kinder, Ehegatten und Eltern – haben trotz Enterbung einen gesetzlich garantierten Anspruch auf den Pflichtteil.

Doch was geschieht, wenn der Erbe diesen Anspruch ignoriert oder verweigert? In dieser Abhandlung erfahren Sie, welche Rechte Pflichtteilsberechtigte haben und welche Konsequenzen auf säumige Erben zukommen.

Der Pflichtteilsanspruch: Geld statt Erbe

Pflichtteilsberechtigte erhalten keinen Anteil am Nachlass selbst, sondern einen reinen Geldanspruch gegen die Erben. Die Höhe bemisst sich nach:

  • dem gesetzlichen Erbteil, den der Pflichtteilsberechtigte ohne Enterbung erhalten hätte,
  • multipliziert mit 50 % (also die Hälfte des gesetzlichen Erbteils),
  • auf Basis des Netto-Nachlasswertes zum Todeszeitpunkt.

Beispiel: Wird ein Kind enterbt, dem gesetzlich 1/2 des Erbes zustünde, hat es Anspruch auf 1/4 des Nachlasses in Geld.

Erste Hürde: Die Auskunftspflicht des Erben

Pflichtteilsberechtigte wissen oft nicht, wie hoch der Nachlass war. Deshalb haben sie gegenüber dem Erben einen gesetzlichen Auskunftsanspruch (§ 2314 BGB). Der Erbe muss auf Verlangen:

  • ein vollständiges Nachlassverzeichnis erstellen,
  • alle Vermögenswerte (Immobilien, Konten, Schmuck etc.) offenlegen,
  • auf Wunsch auch ein notarielles Verzeichnis vorlegen.

Der Erbe ist dabei zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunft verpflichtet. Bei Verweigerung kann gerichtlich auf Auskunft geklagt werden.

Was tun, wenn der Erbe nicht zahlt?

Pflichtteil wird nicht freiwillig beglichen

Bleibt die Zahlung aus, muss der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch außergerichtlich einfordern – in der Regel durch anwaltliches Schreiben mit Fristsetzung. Erfolgt keine Zahlung, ist der Weg zum Zivilgericht unausweichlich.

Wichtig: Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte vom Erbfall und seiner Enterbung Kenntnis erlangt hat (§ 2332 BGB).

Gerichtliche Durchsetzung

Zahlt der Erbe trotz Frist nicht, kann der Pflichtteilsanspruch gerichtlich eingeklagt werden. Das Gericht prüft:

  • die Enterbung,
  • das Pflichtteilsrecht,
  • die Nachlasshöhe,
  • und die bisherige (Nicht-)Zahlung.

Kommt es zur Verurteilung, erhält der Pflichtteilsberechtigte einen vollstreckbaren Titel, mit dem er – wenn nötig – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten kann (z. B. Kontenpfändung, Gerichtsvollzieher)

Sanktionen für den Erben

Ein Erbe, der den Pflichtteil pflichtwidrig verweigert, riskiert:

  • hohe Prozesskosten,
  • Verzugszinsen (ab dem Zeitpunkt der Fristüberschreitung nach Aufforderung zur Zahlung),
  • bei arglistiger Täuschung: Strafbarkeit wegen Betrugs oder Urkundenunterdrückung,
  • im Extremfall: Verlust des Erbrechts durch gerichtliche Entziehung (§ 2333 BGB).

Fazit: Pflichtteil ist kein Almosen – sondern ein einklagbares Recht

Erben sollten wissen: Der Pflichtteil ist keine Kulanzsache, sondern ein gesetzlicher Anspruch mit rechtlichen Folgen. Wer den Pflichtteil ignoriert, riskiert nicht nur juristischen Ärger, sondern auch erhebliche Kosten und Reputationsschäden.

Pflichtteilsberechtigte hingegen sollten nicht zögern, ihre Rechte konsequent – notfalls mit anwaltlicher Hilfe – durchzusetzen.

Sie benötigen Unterstützung?

Unsere Kanzlei ist auf das Erbrecht und Pflichtteilsrecht spezialisiert. Wir vertreten sowohl Pflichtteilsberechtigte bei der Durchsetzung als auch Erben bei der rechtssicheren Abwicklung und Abwehr unberechtigter Ansprüche. Vereinbaren Sie gern ein unverbindliches Erstgespräch.

Daniela Braig

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht
Wirtschaftsmediatorin