Wenn man Experten glaubt, haben Behandlungsfehler in den bundesdeutschen Kliniken ein schier beängstigendes Ausmaß erreicht. Ärzte operieren das falsche Körperteil oder gar den falschen Patienten oder die falsche Patientin. Nach Expertenschätzungen soll es so sein, dass in deutschen Kliniken jedes Jahr bis zu 680.000 Patienten oder Patientinnen von ärztlichen Behandlungsfehlern betroffen sind. Aus diesem Grund vermutet man jährlich sogar bis zu 20.000 Todesfälle. Sorgfaltspflichtverletzungen im Klinikalltag und die Fälle in Arztpraxen oder sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens zeigen die grundlegende Relevanz dieser Problematik für unsere Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund kommt insbesondere den zur Schadenskompensation gerichteten Ansprüchen der geschädigten Patienten und Patientinnen, deren Angehörigen, Hinterbliebenen, Versicherern oder sonstigen Dritten erhebliche Bedeutung zu. Grundsätzlich gilt im Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz. Es gibt keine Amtsermittlung wie beispielsweise im Strafverfahren.
Nach dem Beibringungsgrundsatz hat derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen selbst zu beweisen. Zweifel gehen damit vom Grundsatz her regelmäßig zu Lasten des Patienten oder der Patientin (es gibt allerdings wie bei jedem Grundsatz auch Ausnahmen). Wie viele Beispiele aus dem Klinikalltag zeigen, ist der Sachverhalt jedoch häufig verworrenen und bedarf nicht selten speziellen fachärztlichen Wissens und umfangreicher Einsicht in die konkreten Behandlungsabläufe sowie die körpereigenen Vorgänge. Diese Kenntnisse sind oftmals dem Behandelnden vorbehalten, weshalb seine Position auf den ersten Blick „überlegener“ erscheint. Kernproblem des Arzthaftungsprozesses ist regelmäßig die Beweisführung und damit verbunden häufig die Beweisnot des Patienten. Der Patient kann als medizinischer Laie das Behandlungsgeschehen mangels fachlicher Kenntnisse kaum beurteilen. Der Arzt verfügt insoweit aufgrund seiner Ausbildung über ein überlegenes Sonderwissen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch das ärztliche Erfahrungswissen limitiert ist. So wirkt der Behandler nämlich auf einen lebenden menschlichen Organismus ein, dessen physiologische und biologische Reaktionen seinem Wesen nach nicht in vollem Umfang berechenbar oder gar beherrschbar sind. Vielmehr entziehen sich diese Reaktionen in der Praxis weitgehend der Vorhersehbarkeit und können nämlich je nach individueller Konstitution des Patienten, dem Stadium seiner Erkrankung und seiner psychischen Verfassung in besonders hohem Maße unterschiedlich ausfallen. Insofern ist es auch möglich, dass im Zusammenhang mit dem ärztlichen Eingriff Gesundheitsschäden auftreten, welche bereits im menschlichen Körper angelegt und damit nicht aufzuhalten waren. Derartige Gesundheitsschäden sind nicht adäquat-kausal auf den konkreten Eingriff zurückzuführen, sondern stellen vielmehr eine schicksalhafte Verwirklichung dar.
Im Ergebnis ist die Beweisführung im Arzthaftungsrecht besonders schwierig, da die gesundheitliche Beeinträchtigung des Patienten im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung sowohl auf Fehlern des Behandelnden als auch auf einer Prädisposition des Patienten oder sonstigen Umständen beruhen können. Gleichwohl besteht darüber Einigkeit, dass den Beweisschwierigkeiten des Patienten begegnet werden muss, um unbillige Konsequenzen, nämlich den regelmäßigen Prozessverlust zu vermeiden.
Um eben diesen Problemfällen zu begegnen, haben sich Beweiserleichterungen etabliert, welche zunächst richterrechtlich geprägt worden waren und später im Rahmen der Patientenrechtereform des Jahres 2013 in das BGB eingefügt wurden (nämlich in die §§ 630a ff. BGB). Diese Regeln sollen helfen, auch einen gerechten Ausgleich zwischen den ärztlichen Behandelnden und den Patienten und Patientinnen im Rahmen einer Prozessführung herstellen. Ziel ist eine prozessuale „Waffengleichheit“ herzustellen.
Die betreffenden Regeln gelten aber auch allgemein im Verhältnis der Patienten und Patientinnen im Rahmen medizinischer Leistungen von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Heilpraktikern, Physiotherapeuten und sonstigen medizinischen Leistungserbringern. Der Arzthaftungsprozess bzw. Krankenhaushaftungsprozess folgt speziellen Beweisregeln, die mit ein Grund dafür sind, dass die Materie der Arzt -und Krankenhaushaftung regelmäßig spezialisierten Kammern der Landgerichte bzw. Senaten der Oberlandesgerichte zugewiesen werden.
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