Die Gesundheitsbranche unterliegt sich ständig ändernden wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Das gilt insbesondere für einen Ausschnitt aus diesem Bereich, nämlich für das Arbeitsrecht. Dieses Rechtsgebiet ist außerhalb dieser Branche ohnehin schon einem besonders raschen Wandel unterworfen. Die Anforderungen an eine qualifizierte Beratung der Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe sind daher hoch und erfordern eine ständige Aktualisierung des Wissensstandes im Medizin-, Gesundheits- und Arbeitsrecht. Wir bieten Ihnen Beratung und Prozessvertretung durch einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht.
Bereits die Trägerschaften und Rechtsformen von Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen können unterschiedlicher eigentlich nicht sein. Zu nennen sind zunächst private Einrichtungen wie Einzel – und Gemeinschaftspraxen, Medizinische Versorgungszentren, Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Alten -und Pflegeeinrichtungen. Darüber hinaus existieren Freigemeinnützige Einrichtungen. Diese sind konfessionell, weltanschaulich und durch Freiwilligkeit und Gemeinnützigkeit geprägt. Nur als Beispiele zu nennen sind die katholische und evangelische Kirche, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Deutsche Rote Kreuz. Die betreffenden Einrichtungen verfolgen im Gegensatz zu privaten Einrichtungen nicht keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke. Schließlich werden Einrichtungen als staatliche Einrichtungen geführt. Ergänzt werden sie durch kommunale Einrichtungen, Einrichtungen der Hochschulen, Rentenversicherungsträger, Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung. Man spricht hier nicht zu Unrecht von einer großen Trägervielfalt.
Diese Trägervielfalt wird ergänzt durch eine Vielfalt der möglichen Rechtsformen. Zu finden sind freiberufliche (Einzel-)Praxen, Gemeinschaftspraxen, kommunale Eigenbetriebe, Stiftungen des öffentlichen Rechts, Anstalten des öffentlichen Rechts, Gesellschaften in Form gemeinnütziger Gesellschaften mit beschränkter Haftung (gGmbH), Universitäten, Kapitalgesellschaften in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaften (AG).
Eine Sonderstellung, speziell in arbeitsrechtlicher und betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht, nehmen kirchliche Träger ein. Hier gilt das staatliche Arbeitsrecht nur eingeschränkt (vgl. hierzu die Ausführungen zu den Arbeitsvertragsrichtlinien). Die Trägervielfalt und die Vielfalt der existierenden Rechtformen korrespondieren sodann mit einer Vielzahl von medizin- und arbeitsrechtlichen Spezialregelungen sowie von speziellen Tarifverträgen.
Ein breites Feld der Fragestellungen im Bereich der Heil- und Pflegeberufe nimmt naturgemäß die Arbeitnehmerhaftung ein. Dazu gehören beispielsweise die eigentliche qualitative Schlechtarbeit, mangelnde Aufsicht oder die falsche Bedienung von Arbeitgebereigentum. Gleichzeitig kann eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen sehr häufig auch zu einer Schädigung von Menschen führen (Arbeitskollegen und vor allem Patienten). Gerade in letzterem Falle können die Folgen für den Arbeitnehmer naturgemäß gravierend sein.
Im Verhältnis zu dem eigentlichen Arbeitgeber kommen dem in einem Heil- und Pflegeberuf Tätigen wie jedem anderen Arbeitnehmer die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entwickelten Grundsätze einer allgemeinen Haftungserleichterung im Arbeitsverhältnis zugute. Diese Haftungserleichterung kommt dem Arbeitnehmer in all den Fällen zugute, in denen eine betriebliche Tätigkeit einen Schaden verursacht hat. Die früher vom Bundesarbeitsgericht vertretene Auffassung, dass solche Haftungsmilderungen nur bei gefahrgeneigter Arbeit eingreifen würden, wurde aufgegeben. Der Umfang der Schadenersatzpflicht wird vielmehr anhand einer Abwägung ermittelt, für die maßgebliches Kriterium der jeweilige Verschuldensgrad des Arbeitnehmers ist. Regelmäßig hat der Arbeitnehmer bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit den Schaden alleine zu tragen, bei mittlerer Fahrlässigkeit wird die Schadenersatzpflicht quotal zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, bei leichter Fahrlässigkeit trägt alleine der Arbeitgeber den Schaden.
Der Bundesgerichtshof lehnt es jedoch in ständiger Rechtsprechung ab, dem Arbeitnehmer im Außenverhältnis zu einem von ihm geschädigten Dritten, insbesondere einem Patienten oder Pflegebedürftigen, Haftungserleichterungen zugutekommen zu lassen. Im Außenverhältnis zu Dritten lassen sich die Grundsätze der eingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers nicht übertragen. Der Arbeitnehmer haftet daher im Außenverhältnis gegenüber dem (verletzten) Patienten voll. Soweit jedoch im Innenverhältnis die Arbeitnehmerhaftung beschränkt wäre, kann der Arbeitnehmer im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber einen eigenen Freistellungsanspruch geltend machen. Zu den innerbetrieblichen Verpflichtungen des Arbeitgebers kann es in diesem Zusammenhang auch gehören, für seine Arbeitnehmer zumutbare und übliche Haftpflichtversicherungen abzuschließen. Verletzt der Arbeitgeber eine entsprechende Verpflichtung, führt das zu einer Schadenersatzverpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer.
Unabhängig von der Schadenersatzverpflichtung des Arbeitnehmers steht es auch außer Frage, dass Verfehlungen des Arbeitnehmers auch einen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen können:
Grundsätzlich sieht das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine Kündigung als sozial ungerechtfertigt an, wenn sie nicht durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers, im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist (§ 1 Abs.1 Satz 2 KSchG). Man unterscheidet vereinfacht ausgedrückt also zwischen personenbedingten, verhaltensbedingten und betriebsbedingten Kündigungsgründen. Ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer die erforderliche persönliche und gesundheitliche Eignung fehlt (so zum Beispiel bei langandauernden Erkrankungen oder häufigen Kurzerkrankungen). Bei einem betriebsbedingten Grund stehen regelmäßig zu wenige Arbeitsplätze zur Verfügung. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten trotz grundsätzlicher Eignung verletzt haben. Bei einem zu einem Schaden führenden Verhalten muss also die Ursache in der Schlechtleistung und nicht in der fehlenden Eignung liegen.
Diese Schlechtleistung muss schuldhaft sein. Fälle des Gewissenskonfliktes beispielsweise gehören nicht hierher. Sie werden in den Bereich des personenbedingten Kündigungsgrundes eingeordnet. Eine verhaltensbedingte Kündigung darf auch immer nur das letzte Mittel sein. Es ist daher auch für jeden Einzelfall eine individuelle Interessenabwägung vorzunehmen. Es ist daher regelmäßig vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich (es sei denn der Pflichtenverstoß ist derart schwerwiegend). Schließlich muss der Arbeitgeber das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelnen darlegen und beweisen.
Möchte der Arbeitnehmer eine Kündigung nicht akzeptieren, muss er innerhalb einer Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben. Tut er das nicht, wird die Kündigung automatisch ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Kündigungsgrundes als rechtswirksam angesehen.
Neben diesen rein arbeitsrechtlichen Sanktionen besteht für die Arbeitnehmer in Heil- und Pflegeberufen aber auch immer das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte wegen Vergehen der Körperverletzung gemäß §§ 223 ff. Strafgesetzbuch (StGB), bisweilen sogar wegen Vergehen der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB. Die Konsequenzen für ein Fehlverhalten im Bereich der Heil- und Pflegeberufe können daher erheblich sein und unterscheiden sich insoweit erheblich von sonstigen Arbeitsverhältnissen.
Besondere arbeitsrechtliche Haftungsprobleme bringt häufig auch die Bestellung beispielweise zum Medizinproduktebeauftragten oder Hygienebeauftragten bzw. sonstigen Verantwortlichen/ Beauftragten mit sich. Mit der entsprechenden Bestellung wird der Aufgabenkreis des Arbeitnehmers erweitert. Eine solche Erweiterung des Aufgabenkreises ist regelmäßig nur durch Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages möglich. Es muss daher der Arbeitnehmer zustimmen (es sei denn, die Übernahme einer solchen Verantwortlichkeit wurde bereits als arbeitsvertragliche Pflicht im ursprünglichen Arbeitsvertrag festgelegt).
Der Verantwortliche/Beauftragte ist gegenüber dem Arbeitgeber fachlich weisungsfrei. Er könnte ansonsten den Aufgaben des Patienten- und Mitarbeiterschutzes nicht ordnungsgemäß nachkommen. Die Einführung eines Verantwortlichen/Beauftragten soll aber gerade eine Kontrolle und unabhängige Beurteilung und Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes bedingen. Durch die Stellung als Verantwortlicher bzw. Beauftragter ist der jeweilige Arbeitnehmer allerdings arbeitsrechtlich nicht privilegiert. Es besteht auch in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht kein Sonderkündigungsschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf auch verlangt werden, dass sich der Verantwortliche bzw. Beauftragte vor Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes mit dem Arbeitgeber abstimmen muss. Soweit der Arbeitnehmer aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung die entsprechende Aufgabe übernommen hat, kann er sich auch nicht einseitig entpflichten. Dem Arbeitnehmer bleibt daher häufig nichts Anderes übrig als eine (Eigen-)Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen (oder aber eine Änderungskündigung).
Diskutiert wurde vielfach auch, ob Chefärzte oder Ärzte in leitender Stellung wie beispielsweise Oberärzte oder aber sogar Assistenzärzte wie jeder andere Arbeitnehmer eine Haftungsprivilegierung in Anspruch nehmen können sollen. So wurde insbesondere bei einer Tätigkeit als Chefarzt und einem damit verbundenen gesonderten Liquidationsrecht bzw. Liquidationseinkommen vertreten, dass eine Haftungsbeschränkung im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht gerechtfertigt sei. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass entsprechende Gehälter grundsätzlich keine „Risikoprämie“ enthalten sollen. Die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit bringt nämlich aufgrund ihrer Eigenart ganz generell das Risiko einer hohen Schadenersatzverpflichtung mit sich. Würde man die ärztlichen Arbeitnehmer hierfür haften lassen, würden sie möglicherweise in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sein. Auch bei der Haftung ärztlicher Arbeitnehmer ist daher immer eine Abwägung der Gesamtumstände vorzunehmen. Es ist auch hier von besonderer Bedeutung das Ausmaß des jeweiligen Verschuldens. Möglich ist es allerdings, dass die besonderen Kenntnisse von Chefärzten oder Oberärzten eine Einstufung eher als grob fahrlässig rechtfertigen können. Dieser Umstand ist dann bei der Schadensquotelung zu beachten und kann sehr schnell zu einer Haftung der betroffenen Arbeitnehmer führen.
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