In überversorgten Planungsbereichen – also in Regionen, in denen die ärztliche Versorgung den festgelegten Bedarf übersteigt – ist die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes nicht automatisch möglich. Stattdessen ist ein strukturiertes Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, das sich nach den Vorgaben des § 103 SGB V richtet. Dieses Verfahren dient der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung und stellt sicher, dass Vertragsarztsitze nur dort erhalten bleiben, wo sie tatsächlich erforderlich sind.
Das Nachbesetzungsverfahren findet seine gesetzliche Grundlage in § 103 SGB V. Diese Norm regelt das Verfahren für die Nachbesetzung von Arzt- und Psychotherapeutensitzen in sogenannten gesperrten Planungsbereichen – also Regionen, in denen nach den Maßgaben der Bedarfsplanung bereits eine Überversorgung besteht (in der Regel bei einem Versorgungsgrad von über 110 %).
Wird in einem solchen Gebiet ein Vertragsarztsitz aufgegeben, so bedeutet dies nicht automatisch, dass dieser Sitz weitervergeben werden kann. Stattdessen prüft der zuständige Zulassungsausschuss, ob aus versorgungsrelevanten Gründen überhaupt eine Nachbesetzung stattfinden darf.
Antragsstellung durch den abgebenden Arzt
Der Arzt, der seine Zulassung zurückgeben möchte – etwa wegen Ruhestand, Umzug oder Praxisaufgabe – stellt bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Gleichzeitig erklärt er den Verzicht auf seine Zulassung zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Prüfung durch den Zulassungsausschuss
Der Zulassungsausschuss prüft, ob die Nachbesetzung aus Gründen der Versorgung notwendig ist (§ 103 Abs. 3a SGB V). Dabei werden u. a. folgende Aspekte berücksichtigt:
Nur wenn ein entsprechender Versorgungsbedarf festgestellt wird, wird das Nachbesetzungsverfahren eingeleitet.
Ausschreibung des Vertragsarztsitzes
Im Falle einer positiven Entscheidung erfolgt die öffentliche Ausschreibung des Vertragsarztsitzes. Diese Ausschreibung wird durch die zuständige KV veröffentlicht – häufig im Ärzteblatt oder auf der Website der KV.
Bewerbung und Auswahlentscheidung
Interessierte Ärztinnen und Ärzte (sowie MVZs) können sich auf die Ausschreibung bewerben. Die Auswahlentscheidung trifft wiederum der Zulassungsausschuss auf Grundlage eines Ermessensspielraums. Die Auswahl erfolgt unter Beachtung folgender Kriterien:
Ein rechtlicher Anspruch auf Nachbesetzung durch eine bestimmte Person – etwa einen vom Abgeber bevorzugten Nachfolger – besteht nicht. Der Abgeber kann jedoch im Rahmen des Verfahrens seine Empfehlung aussprechen.
Auch wenn das Nachbesetzungsverfahren grundsätzlich offen gestaltet ist, berücksichtigt der Zulassungsausschuss im Rahmen seiner Ermessensentscheidung bestimmte versorgungsrelevante Aspekte, die einzelnen Bewerbern einen faktischen Vorteil verschaffen können. Dies betrifft insbesondere:
Ehemalige oder derzeitige Praxisangehörige
Ärztinnen und Ärzte, die bereits langjährig in der abzugebenden Praxis tätig waren – etwa als angestellte Ärzte, Weiterbildungsassistenten oder Kooperationspartner – gelten als besonders geeignet für eine nahtlose Fortsetzung der bisherigen Versorgung. Ihnen wird zugutegehalten:
Kooperationspartner in bestehenden Strukturen
Auch bereits im selben Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) tätige Ärztinnen oder Ärzte können bevorzugt berücksichtigt werden, wenn sie den Sitz innerhalb der bestehenden Struktur übernehmen wollen und ein konsistentes Versorgungskonzept vorlegen.
Bewerber mit regionaler Verwurzelung
Ein weiteres Kriterium ist die regionale Bindung des Bewerbers. Wer in der Region wohnt, dort bereits tätig ist oder eine familiäre Einbindung vorweisen kann, wird im Vergleich zu fachlich gleichwertigen Mitbewerbern häufig bevorzugt – unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Sicherstellung der Versorgung vor Ort.
Keine starre Vorrangregelung
Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine rechtliche Privilegierung im Sinne eines Vorrangs, sondern um sachliche Kriterien, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind. Der Zulassungsausschuss muss stets eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände treffen.
Nach der Auswahlentscheidung wird die Praxis in der Regel an den ausgewählten Nachfolger verkauft. Der Kaufpreis ist zwischen Abgeber und Nachfolger frei verhandelbar, unterliegt jedoch einer Plausibilitätskontrolle durch die Zulassungsgremien. Überhöhte Preise können als sittenwidrig eingestuft und untersagt werden.
Das Nachbesetzungsverfahren wird auf verschiedenen Ebenen verwaltet:
Fazit: Das Nachbesetzungsverfahren ist ein komplexes, stark formalisiertes Verfahren mit weitreichenden wirtschaftlichen und versorgungsrelevanten Implikationen. Eine fundierte rechtliche Beratung ist für alle Beteiligten – ob abgebender Vertragsarzt oder Bewerber um einen Sitz – dringend anzuraten. Unsere Kanzlei begleitet Sie kompetent und praxisnah in sämtlichen Phasen des Nachbesetzungsverfahrens – von der Antragstellung bis zur finalen Zulassung. Sie haben Fragen oder planen die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes? Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt mit uns auf – unsere Fachanwälte für Medizinrecht stehen Ihnen mit fachlicher Expertise und langjähriger Erfahrung im Vertragsarztrecht zur Seite.
Rechtsanwalt
Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
Zertifizierter Berater für Kündigungsschutzrecht (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)
Zertifizierter Berater Arbeitsrecht für leitende Angestellte/Führungskräfte (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Dipl.-Juristin
Rechtsanwältin