Substantiierungs- und Beweiserleichterungen des Arzthaftungsrechts greifen auch bei Pflegefehlern in Pflegeeinrichtungen (Altenheimen)

Auch im Zusammenhang mit Pflegefehlern in Pflegeeinrichtungen tragen grundsätzlich der Pflegebedürftige bzw. die Angehörigen im Falle eines Versterbens aufgrund eines Pflegefehlers die Darlegungs -und Beweislast. Das bereitet den Betroffenen aber regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Zum einen fehlt ihnen nicht nur die genaue Sachverhaltskenntnis, es fehlt auch häufig an medizinischem Detailwissen.

Generell sind jedoch vor diesem Hintergrund die Substantiierungs- und Beweiserleichterungen des Arzthaftungsrechts analog auf Haftungsprozesse mit Pflegefehlern anzuwenden. Auch in Pflegehaftungsprozessen kommen daher den Regelungen zur Vortrags- und Beweislast eine entscheidende Rolle zu. Auch die Pflegehaftung beinhaltet somit analog zum Arztrecht eine „atypische Sonderregelung der Beweislastumkehr“. Diese Grundsätze gelten generell sogar auch für die Ansprüche naher Angehöriger gemäß § 844 BGB auf Geldrente und/oder Schmerzensgeld bei Tötung des Pflegebedürftigen.

In all diesen Fällen soll das typische Informationsdefizit des Betroffenen ausgeglichen werden. Der Arzthaftungsprozess (und damit auch der Pflegehaftungsprozess) zeichnet sich durch die von der Rechtsprechung geschaffenen Erleichterungen hinsichtlich der Substantiierungs- und Beweislast des Patienten/Pflegebedürftigen aus. Mit diesen Erleichterungen soll die in der Regel schwächere Position des Geschädigten, dem die Sachkunde und der Einblick in den Behandlungsablauf fehlt, ausgeglichen werden. Zur Verwirklichung der Grundsätze eines fairen Verfahrens und der Waffengleichheit sollen an die Schlüssigkeit des Vorbringens und die Erheblichkeit der Einlassung nicht die sonst üblichen Maßstäbe angelegt werden müssen. Beim Vortrag zu medizinischen Fragen dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag nur maßvolle Anforderungen gestellt werden.

Der Patient und sein Prozessbevollmächtigter sind nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen beispielsweise durch ein Privatgutachten anzueignen. Dem Gericht wird sogar zugunsten des Patienten/Pflegebedürftigen eine gesteigerte Verpflichtung zur Sachaufklärung auferlegt. Über die üblichen Verfahrensgrundsätze des Parteiprozesses hinaus muss es durch Fragen und Hinweise zu einer Ergänzung des Sachvortrages auffordern. Medizinische Einzelheiten dürfen in dem Sachvortrag nicht verlangt werden. Zudem hat das Gericht im Arzthaftungsprozess bzw. Pflegehaftungsprozess zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts regelmäßig einen Sachverständigen einzuschalten. Soweit der Sachvortrag des Patienten als Grundlage für ein Sachverständigengutachten nicht ausreicht (wovon in der Regel auszugehen ist) hat das Gericht von sich aus die erforderlichen zusätzlichen Tatsachen zu ermitteln hat. Das Gericht ist im Arzthaftungsprozess/ Pflegehaftungsprozess sogar nicht einmal an die vom Patienten vorgebrachten Gründe für eine vermutete Fehlerhaftigkeit des (ärztlichen bzw. pflegerischen) Handelns gebunden, sondern darf den Sachverständigen darüber hinaus mit der Prüfung beauftragen, ob sonstige für den behaupteten Schaden ursächliche Behandlungsfehler zu erkennen sind.

Johannes Falch, MBA

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