Die Sozialversicherungspflicht von Leistungserbringern im Gesundheitswesen am Beispiel der Honorarärzte und Geschäftsführer von MVZ-Trägergesellschaften

Große Bedeutung haben sog. Statusfeststellungsverfahren im Zusammenhang mit der Bestimmung des Erwerbsstatus nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV auch für die Heil -und Pflegeberufe der Gesundheitsbranche. Generell ist die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit sowohl von sozialversicherungs- als auch von arbeits- und steuerrechtlicher Bedeutung. Trotz vieler Überschneidungen in der Praxis sind die Begrifflichkeiten im Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht und auch im Steuerrecht nicht deckungsgleich. Das ist zunächst Folge der im Gesetzestext unterschiedlich formulierten Abgrenzungskriterien. Festgestellt werden kann jedoch, dass der Vertragstyp einer abhängigen Beschäftigung rechtsgebietsübergreifend im Kern von einem gemeinsamen Grundbegriff getragen wird. Dieser Grundbegriff ist der einer weisungsabhängigen Beschäftigung in Form einer personenbezogenen, nicht aber einer objektbezogenen Weisung. Die Verpflichtung zur weisungsgebundenen Tätigkeit ist die grundlegende Definition in allen drei genannten Rechtsgebieten. Abweichungen ergeben sich erst, wenn auf Basis der jeweiligen Rechtsgebiete spezifische Kriterien eine abweichende Betonung erfordern. Als besonders brisant erweist sich die unterschiedliche Einordnung in der arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Jurisdiktion. Der Begriff des abhängig Beschäftigten im Sozialversicherungsrecht wird weiter gefasst als der Begriff des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht. Im Kern der Definitionen von „Arbeitnehmender“ und „Beschäftigter“ steht die Pflicht zur Leistung weisungsgebundener Arbeit. Diese wird von Arbeits- und Sozialgerichten oft gleich ausgelegt. Dennoch umfasst der legaldefinierte sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung zwar das Arbeitsverhältnis, ist mit diesem jedoch nicht deckungsgleich. Entsprechend kann die sozialversicherungsrechtliche Bewertung einer bestimmten Tätigkeit für deren arbeitsrechtliche Beurteilung keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen (vgl. nur Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2019 - Az. 5 AZR 178/18 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 17.10.1990 - Az. 11 Bar 39/90, Rn. 17).

Die rechtliche Einordnung von Honorarärzten zeigt exemplarisch, dass Arbeits- und Sozialgerichte das Kriterium der Weisungsgebundenheit in Einzelfällen anders auslegen und dadurch zu voneinander unabhängigen und im Ergebnis divergierenden Entscheidungen kommen können: Honorarärzte wurden von den Arbeitsgerichten stets als Selbständige qualifiziert (vgl. nur Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.07.2015 - Az. 9 AZR 484/14). Unabhängig von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung hat dagegen das Bundessozialgericht Honorarärzte als abhängig Beschäftige im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV eingeordnet und ausdrücklich auf die unterschiedliche Berücksichtigung der Parteivereinbarung im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht hingewiesen (vgl. nur Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.06.2019 - Az. B 12 R 11/18). Hervorgehoben hat das Gericht dabei die strengen Regularien in Krankenhäusern in Bezug auf die fachliche Qualifikation der Ärzte sowie die Einbindung der Ärzte in die Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen. Laut Bundessozialgericht führen diese regulatorischen Vorgaben im Regelfall zu einer Eingliederung der Honorarärzte in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses und lassen keinen Raum für eine selbständige Tätigkeit.

Vergleichbar hierzu: § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und § 14 Abs. 1. Nr. 1 KSchG schließen den GmbH-Geschäftsführer beispielsweise einer MVZ-Trägergesellschaft aufgrund seiner Organstellung von der Arbeitnehmendeneigenschaft aus. Auch nach Verabschiedung von § 611a BGB wird der Geschäftsführer einer GmbH in aller Regel nicht als Arbeitnehmender, sondern als in einem freien Dienstverhältnis stehend qualifiziert. Ausschlaggebend ist das Kriterium der Weisungsgebundenheit. Das rein unternehmerische Weisungsrecht steht der Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer grundsätzlich und unabhängig von der Arbeitnehmendeneigenschaft zu. Bloß wenn der Geschäftsführer auch hinsichtlich der Umstände seiner Leistungserbringung weisungsgebunden ist, kann er als Arbeitnehmender qualifiziert werden. Dies kommt allerdings nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Demgegenüber sind Fremdgeschäftsführer sowie Geschäftsführer, die weniger als 50% der Anteile am Kapital halten, Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs.1 SGB IV. Der Hintergrund ist, dass ein Mehrheitsgesellschafter, der Geschäftsführer ist, die Rechtsmacht besitzt, Gesellschafterbeschlüsse zu beeinflussen und somit nicht weisungsgebunden im sozialrechtlichen Sinne ist.

Arbeitnehmenden- und Beschäftigtenbegriff sind zwei selbständige Rechtsinstitute, bei deren Auslegung die Gerichte sich an denselben Kriterien orientieren und zumeist zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen. Lediglich in Fällen, in denen die unterschiedlichen Regelungszwecke von Arbeits- und Sozialversicherungsrecht dies erfordern, divergiert die Rechtsprechung. Von Bedeutung ist insbesondere, dass zentraler Zweck des Arbeitsrechts der Schutz des individuellen Arbeitnehmenden ist, während das Sozialversicherungsrecht der Absicherung des einzelnen Beschäftigten sowie der Solidargemeinschaft aller Versicherten dient. Ob eine abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbilds der Verhältnisse überwiegen. Bei der Abwägung müssen alle nach Lage des Einzelfalls relevanten Indizien berücksichtigt und innerhalb einer Gesamtschau gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Das kann bei manchen Tätigkeiten – z.B. in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand der erbringenden Dienste ist – dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil 25.04.2012 – Az. B 12 KR 24/10 R). Vor diesem Hintergrund besteht demnach erhebliche Rechtsunsicherheit. Das angesprochene Statusfeststellungsverfahren bietet daher ein gutes Mittel, vorab für eine Klärung zu sorgen, um erhebliche Nachforderungen der Träger der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu vermeiden. Die praktische Bedeutung der Frage ist traditionell im Bereich der Heil- und Pflegeberufe des Gesundheitswesens sehr hoch.

Johannes Falch, MBA

Rechtsanwalt
Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht

Zertifizierter Berater für Kündigungsschutzrecht (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)

Zertifizierter Berater Arbeitsrecht für leitende Angestellte/Führungskräfte (VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.)

Patricia Jaritz

Rechtsanwältin
Dipl.-Juristin

Fachanwältin für Medizinrecht