Der zahnärztliche Behandlungsfehler und der Wegfall der Zahnarztvergütung

Das Zahnmedizinrecht allgemein und insbesondere das Zahnarzthaftungsrecht sind ein nicht unbedeutendes Teilgebiet des Medizinrechts. Dieses Teilgebiet hat in der Praxis eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Grundsätzlich wird der Zahnarzt oder die Zahnärztin im Verhältnis zum Patienten oder zur Patientin aufgrund eines (zahnärztlichen) Behandlungsvertrages gemäß §§ 630a ff. BGB tätig. Dieser Vertragstypus gleicht den übrigen medizinischen Behandlungsverträgen, weist allerdings doch wieder einige Besonderheiten auf. Regelmäßig schuldet der Zahnarzt oder die Zahnärztin ebenfalls keinen Behandlungserfolg. Geschuldet wird vielmehr eine fachgerechte (Dienst-)Leistung. Diese muss daher den zahnärztlichen Facharztstandard erfüllen. Um diese Frage (Einhaltung des Zahnarztstandards) wird häufig vor den Gerichten gestritten. Gerichte erholen zu dieser Frage, ob der Facharztstandard eingehalten wurde oder nicht, zwangsläufig ein Sachverständigengutachten ein. Ohne ein entsprechendes Gutachten würde den Richtern regelmäßig die erforderliche Sachkunde fehlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Instanzenrichter auch dazu verpflichtet, sich sachverständiger Hilfe zu bedienen. Würden sie das nicht tun, wäre das ein prozessualer Verfahrensfehler. Ein solcher Verfahrensfehler könnte dann auch dazu führen, dass das Urteil in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben wird und wieder an die vorherige Instanz zurückverwiesen wird. Vor diesem Hintergrund wird das mit dem Rechtsstreit betraute Erstgericht einen Verfahrensfehler vermeiden wollen und wird regelmäßig die Erholung eines Sachverständigengutachtens anordnen.

Eine Besonderheit ergibt sich allerdings im Zusammenhang mit der Anfertigung von Zahnersatz. Geschuldet wird hier ein funktionsfähiger Zahnarztsatz, also doch ein gewisser Erfolg (eigentlich ein „Werk“). Grundsätzlich hat der Zahnarzt oder die Zahnärztin jedoch das Recht, nach einem misslungenen Versuch selbst noch einmal tätig zu werden und nachzubessern. Umgekehrt ist der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin hierzu auch verpflichtet. Das Recht des Zahnarztes oder der Zahnärztin zur Nachbesserung ist gleichwohl nicht grenzenlos, sondern auf das Notwendige und Zumutbare zu beschränken. Grund ist, dass die Fertigung von Zahnersatz oftmals ein sehr individuelles und schwieriges Verfahren darstellt, im Rahmen dessen objektiv und subjektiv nicht verlangt werden kann, dass die Behandlung auf Anhieb Erfolg hat, mithin der Zahnersatz „sitzt“.

Die Gelegenheit zur Nachbesserung muss jedoch nicht immer gegeben werden. Der Patient hat nach Eingliederung von Zahnersatz wie gesagt nur zumutbare Nachbesserungsarbeiten hinzunehmen. Weigert sich der Patient oder die Patientin nach der Eingliederung von Zahnersatz diese zumutbaren Nachbesserungsversuche vorzunehmen, scheiden Ansprüche des Patienten oder der Patientin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in der Regel aus. Ein vorschneller Zahnarztwechsel aus vielleicht verständlicher Enttäuschung heraus kann daher zu einem (weiteren) schmerzlichen Ergebnis in finanzieller Weise führen. Zumutbar kann die Nacharbeitung an einer Prothese oder sogar die gänzliche Neuanfertigung des Zahnersatzes sein. Das Recht des Zahnarztes oder der Zahnärztin auf Nachbesserung entfällt jedoch dann, wenn die Nachbesserung für den Patienten oder die Patientin ausnahmsweise unzumutbar ist. Unzumutbarkeit ist dann gegeben, wenn für den Patienten oder die Patientin aufgrund objektiver Umstände das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Durchführung der Nachbesserung durch den Zahnarzt oder die Zahnärztin nachhaltig erschüttert ist oder dem Patienten oder der Patientin durch die Nachbesserung unzumutbare Unannehmlichkeiten entstehen würden. Unzumutbarkeit besteht auch dann, wenn die zahnärztliche Leistung aufgrund ihrer Fehlerhaftigkeit völlig unbrauchbar ist.

Unter Patienten (und auch unter Zahnärzten) stellt sich immer wieder die Frage, ob die zahnärztliche Vergütung auch dann geschuldet ist, wenn die zahnärztliche Leistung, insbesondere wenn eine prothetische Versorgung mangelhaft ist oder der Behandelnde pflichtwidrig (also nicht lege artis) agierte. Schließlich liegt dann eine fehlerhafte Leistung des Zahnarztes oder der Zahnärztin vor. Ein Wegfall des zahnärztlichen Honoraranspruchs läge auf den ersten Blick vielleicht nahe, im rechtlichen Ergebnis ist das jedoch nicht immer der Fall. Ob ggf. bereits bezahltes zahnärztliches Honorar ebenfalls zurückgefordert werden kann, ist gleichfalls eine wirtschaftlich bedeutsame Frage.

Im rechtlichen Ergebnis sind der Wegfall des zahnärztlichen Vergütungsanspruches bzw. der Honorarrückzahlungsanspruch des Patienten eher die Ausnahme. Mit diesen Fragen hatte sich der Bundesgerichtshof bereits mehrfach zu beschäftigen (u.a. Urteil vom 13.09.2018 - III ZR 294/16). Die Lösung liegt in dem Umstand begründet, dass es sich bei dem zahnärztlichen Behandlungsvertrag grundsätzlich um einen Dienstvertrag gemäß §§ 630 a ff. BGB handelt. Nur ausnahmsweise beinhaltet der Behandlungsvertrag im Zusammenhang mit Prothetikarbeiten auch werkvertragliche Elemente. Nach dem Dienstvertragsrecht ist vom Prinzip her kein Erfolg geschuldet. Das Dienstvertragsrecht kennt als Sanktion für fehlerhafte Leistungen zunächst nur die (fristlose) Kündigung des Behandlungsvertrages und Ansprüche auf Schadensersatz. Vor diesem Hintergrund kann daher der Vergütungsanspruch des Zahnarztes oder der Zahnärztin bei einer mangelhaften Leistung oder bei sonstigen Pflichtwidrigkeiten im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Tätigkeit auch nicht gemindert werden. Es gibt aber auch hier wie bei jeder Regel eine Ausnahme.

Der Bundesgerichtshof ist zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass der Zahnarzt vom Grundsatz auch dann einen Vergütungsanspruch für seine (bisherigen) Leistungen erlangt, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten in Form eines Behandlungsfehlers die Kündigung des Behandlungsvertrages durch den Patienten veranlasst (verschuldet). Diese Rechtsfolge wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass die Vergütungspflicht umgekehrt doch entfallen kann, soweit die bisherigen Leistungen des Arztes für den Patienten kein Interesse (mehr) haben. Oder anders gewendet: Kann der Nachbehandelnde auf die fehlerhafte zahnärztliche Leistung im Nachhinein „aufsetzen“, so bleibt der Vergütungsanspruch für die bisherigen Leistungen unberührt. Dem Patienten verbleibt jedoch ein Schadensersatzanspruch, soweit bei dem Nachbehandelnden zusätzliche (notwendige) Kosten entstehen.

Ist allerdings die fehlerhafte zahnärztliche Leistung für den Patienten oder die Patientin völlig unbrauchbar und nutzlos, kann ein Nachbehandelnder auf den bisherigen Leistungen auch nicht „aufsetzen“, steht dem Patienten ein Schadenersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. Der Mindestschaden liegt dann darin, dass der Patient eine Vergütung für eine für ihn völlig nutzlose Leistung bezahlen müsste. Das kann im rechtlichen Ergebnis nicht sein. Dieses Ergebnis ist sicherlich auch sachgerecht.

Streng davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob dem Patienten nicht ein Schadenersatzanspruch wegen der Kosten zusteht, die durch die Behandlungsfehlerhaftigkeit erforderlich gewordene Nachbehandlung ausgelöst wurden. Es wird sich der Sache nach regelmäßig um sogenannte Mehrkosten handeln. Abzuziehen sind in diesem Zusammenhang dagegen immer die „Sowieso-Kosten“, also notwendige Leistungen, die auch gegenüber dem bisherigen zahnärztlichen Behandler hätten vergütet werden müssen. Verbleibt sodann ein echter Schaden, kann dieser Schadenersatzbetrag dem geltend gemachten Vergütungsanspruch des Zahnarztes oder der Zahnärztin im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden. Ebenfalls entgegengehalten werden kann ein durch ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten des Zahnarztes oder der Zahnärztin geschuldetes Schmerzensgeld. Auch insoweit kann die Aufrechnung erklärt werden. Ein darüberhinausgehender verbleibender Betrag kann selbständig geltend gemacht werden, ggf. auch im Wege einer eigenständigen Klage vor den Zivilgerichten.

Das Zahnarztrecht und insbesondere das Zahnarzthaftungsrecht weisen demnach einige Besonderheiten auf, die regelmäßig eine frühzeitige taktische Weichenstellung erforderlich machen. Und zwar sowohl aus dem Blickwinkel des Zahnarztes bzw. der Zahnärztin als auch aus dem Blickwinkel des Patienten.