Kaskoversicherung

Wichtige Besonderheiten in der Teilkaskoversicherung

Motorschaden nach Durchfahrt durch eine überschwemmte Unterführung – ein Fall für die Teilkasko?

Nach starken Regenfällen ist es meist nicht ungewöhnlich, dass an tiefliegenden Straßenstellen wie z. B. Unterführungen Regenwasser, das nicht schnell genug in die Kanalisation ablaufen kann, aufgestaut wird. Oft genug ist dabei gar nicht oder erst viel zu spät zu erkennen, ob es sich nur um eine Pfütze mit wenigen Zentimetern Tiefe oder aber um eine tiefere Wasserlache handelt. Wenn sich der Fahrer hier verschätzt, kann das teure Folgen haben: Beim Durchfahren der Wasserlache kann nämlich eine Bugwelle verursacht werden oder aber auch Spritzwasser in erheblichen Mengen in den Motorraum hochgespritzt werden. Dies kann dann zu einem kapitalen Motorschaden bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor führen. Was passiert in solchen Fällen? Anstatt die für den Verbrennungsvorgang nötige Luft saugt der der Motor Wasser an. Sobald das Wasser in den Brennraum gelangt, wird der Kolben abrupt gestoppt. Wasser lässt sich nicht wie das sich ansonsten im Brennraum befindliche Kraftstoff-Luft-Gemisch komprimieren. Dies hat zur Folge, dass der Kolben sich nicht weiterbewegen kann und abrupt gestoppt wird. Durch dieses abrupte Abstoppen des Kolbens verbiegt sich das Pleuel, wobei auch Schäden an Kurbelwelle, Motorblock und Zylinderkopf ebenfalls übliche Folgen sind. In einem solchen Fall spricht man von einem Wasserschlag. Folge eines solchen Wasserschlages ist daher tatsächlich in der Regel ein kapitaler Motorschaden. Reparaturkosten bewegen sich hierbei schnell fünfstelligen Bereich.

Die Frage, die sich daher aufdrängt, ist die, ob für einen solchen Fall Versicherungsschutz greift. Im Rahmen einer Teilkaskoversicherung sind die Ereignisse Sturm, Hagel, Blitzschlag und Überschwemmung nämlich in der Regel versichert. Die typischen Fälle sind hierbei, dass ein Sturm einen Baum auf das Auto wirft, das Fahrzeug durch Hagel oder Blitzschlag direkt beschädigt wird oder aber auch z. B. beim Stehen in der Tiefgarage überschwemmt wird. Nach den üblicherweise verwendeten Versicherungsbedingungen (A. 2.2.1.3 AKB) ist zudem erforderlich, dass Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung „unmittelbar“ auf das Fahrzeug einwirken. Bei einem Wasserschlag nach dem Durchfahren einer tiefen Pfütze stellen sich Versicherer daher gerne auf den Standpunkt, dass ein Schaden nicht im Rahmen einer Teilkaskoversicherung gedeckt ist, weil er nicht durch die Überschwemmung an sich, sondern durch das Durchfahren von tiefem Wasser verursacht wurde. Selbst wenn ein Versicherer grundsätzlich das Vorliegen des versicherten Ereignisses „Überschwemmung“ eingestehen muss, stellt er sich dann auf den Standpunkt, dass die Überschwemmung jedenfalls nicht „unmittelbar“ auf das Fahrzeug eingewirkt habe. Doch ist das richtig?

Gerichte haben diesen Ausfluchtversuchen der Versicherer einen Riegel vorgeschoben. Tatsächlich ist es nämlich so, dass nach der Rechtsprechung auch ein Schaden, der dadurch entsteht, dass eine tiefe Pfütze durchfahren wird, und es daher zu dem oben beschriebenen Wasserschlag am Motor kommt, ein Schaden ist, der durch eine Überschwemmung unmittelbar verursacht wird. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in seiner Entscheidung vom 28.10.2019 Az. 94/18 hierzu folgende Grundsätze aufgestellt:

„1. Eine Wasseransammlung auf einer Straße von bis zu 90 cm Tiefe nach einem Starkregen ist eine Überschwemmung im Sinne der üblichen Bedingungen in der Teilkaskoversicherung.

2. Der Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung greift nicht nur dann ein, wenn eine Überschwemmung ein stehendes oder geparktes Fahrzeug ergreift. Vielmehr besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn ein Fahrzeug in einen überschwemmten Bereich der Straße hineinfährt, und dort durch das stehende Wasser beschädigt wird.

3. Eine "unmittelbare Einwirkung" der Überschwemmung auf das Fahrzeug liegt vor, wenn sich das Fahrverhalten des Fahrzeugführers darauf beschränkt, dass er auf der von ihm befahrenen Straße "normal" weiterfährt, und auf diese Weise in den überschwemmten Straßenbereich hineingerät.


4. Ein fahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers, der seine Fahrt trotz der Wasseransammlung in Verkennung der Gefahr fortsetzt, ändert nichts daran, dass der Schaden am Fahrzeug durch eine unmittelbare Einwirkung der Überschwemmung entstanden ist.“

Was heißt das für den Versicherungsnehmer: Ein teurer Motorschaden, der dadurch verursacht wird, dass beispielsweise nach einem Starkregen eine Wasseransammlung auf der Straße durchfahren wird, wird von der Teilkaskoversicherung gedeckt. Der Versicherer muss die Reparaturkosten (bis auf den üblicherweise vereinbarten Selbstbehalt) bezahlen. Das Eingreifen der Teilkaskoversicherung hat für den Versicherungsnehmer den weiteren großen Vorteil, dass eine Hochstufung nicht erfolgt. Bei der Teilkaskoversicherung gibt es das System der Schadenfreiheitsklassen nämlich nicht, weil grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die versicherten Personen auf das Entstehen der Schäden keinen Einfluss haben.

Dr. iur. Rasso Graber, LL.M. (EUR.)

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