Hat der Arbeitnehmer bei dem bloßen Verdacht einer Ansteckung mit dem Corona-Virus einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
- Ist der Arbeitnehmer aufgrund ärztlicher Feststellung tatsächlich arbeitsunfähig krank, besteht ein Anspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Insoweit verhält es sich wie bei jeder Erkrankung. Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist allerdings auf sechs Wochen begrenzt. Für die Höhe der Vergütung gilt vom Grundsatz das Lohnausfallprinzip (was wäre verdient worden, wenn regelmäßig gearbeitet worden wäre). Soweit noch keine Erkrankung im eigentlichen Sinne vorliegt, kann das zuständige Gesundheitsamt gleichwohl Quarantänemaßnahmen und berufliche Tätigkeitsverbote anordnen (§§ 30, 31 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG). In diesem Falle erhält der Arbeitnehmer dann gem. § 56 IfSG eine Entschädigung. Diese bemisst sich wiederum nach dem Verdienstausfall. Die Dauer, für die geleistet wird, beträgt sechs Wochen. Die Auszahlungsstelle ist zunächst der Arbeitgeber. Die ausgezahlten Beträge werden dann dem Arbeitgeber auf seinen Antrag hin erstattet. Die infektionsschutzrechtlichen Normen gelten grundsätzlich als Spezialnormen gegenüber den arbeitsrechtlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, empfiehlt es sich daher dringend, die erforderlichen ärztlichen Feststellungen treffen zu lassen, um den Entschädigungsanspruch zu erhalten.
Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice oder können sie gar aus Furcht vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus der Arbeit fernbleiben?
- Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers gibt es in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegenden Schutzpflichten verletzt, insbesondere die Pflicht zum Schutz der bei ihm tätigen Arbeitnehmer (z.B. Fehlen erforderlicher Atemschutzmasken, Handschuhe oder Desinfektionsmittel). Liegen solche (erhebliche) Fallkonstellationen nicht vor und bleibt der Arbeitnehmer dessen ungeachtet zu Hause, würde er ohne rechtfertigenden Grund der Arbeit fernbleiben. Dieses Verhalten könnte dann mittels einer Abmahnung oder gar mit einer (verhaltensbedingten) Kündigung sanktioniert werden. Auch kann der Arbeitnehmer nicht von sich aus seine Leistungspflicht dadurch erbringen, dass er von zu Hause arbeitet oder eine solche Arbeit anbietet (Homeoffice). Würde der Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Arbeitgebers nur noch von zu Hause arbeiten, läge ebenfalls eine Arbeitspflichtverletzung vor. Auch diese könnte nach erfolgloser Abmahnung zu einer (verhaltensbedingten) Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes setzt nämlich immer die Zustimmung des Arbeitgebers voraus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei der Einrichtung eines solchen Arbeitsplatzes die Einhaltung zwingender datenschutzrechtlicher Regelungen gewährleistet sein muss.
Besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er beispielsweise nur indirekt aus Gründen der Corona-Pandemie seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann (z. B. bei nicht vorhandener Kinderbetreuung wegen längerer Kindergarten- und/oder Schulschließungen)?
- Diese Frage ist umstritten. Die Verpflichtung des Arbeitgebers könnte sich aus der Vorschrift des § 616 BGB ergeben. Die Vorschrift setzt aber immer voraus, dass der Arbeitnehmer eine verhältnismäßig, nicht erhebliche Zeit verhindert ist (hier wegen fehlender Kinderbetreuung). Das hat zur Folge, dass bei einer längeren Schließung der Einrichtungen z. B. im Umfang von zwei oder drei Wochen die genannte Grenze der Erheblichkeit zweifellos überschritten würde. Es besteht dann überhaupt kein Anspruch, auch nicht für einen geringeren Zeitraum von bis zu zehn Tagen, also für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum. Der Anspruch besteht dann in Gänze nicht.Leider kann man betroffenen Arbeitnehmern auch nicht über den Weg sozialrechtlicher Leistungen helfen (Pflegeunterstützungsgeld oder Krankengeld wegen Erkrankung eines Kindes). Das Kind ist weder pflegebedürftig, noch ist es krank. Im Ergebnis trägt in dieser Konstellation allein der Arbeitnehmer das Ausfallrisiko.
Kann der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit anordnen?
- Kann die betriebliche Tätigkeit aufgrund Arbeitsmangels nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr aufrechterhalten werden (z. B. wegen unterbrochener Lieferketten oder wegen behördlicher Anordnung aufgrund eines bestehenden Infektionsrisikos), kommen die auch vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angewendete Betriebsrisikolehre und die Lehre vom Wirtschaftsrisiko zur Anwendung. Demnach trägt der Arbeitgeber -auch wenn ihn kein Verschulden trifft- das Risiko in Folge von Naturereignissen, Unterbrechungen der Lieferkette, behördlichen Betriebsschließungen und Absatz- und Auftragsmangel. Diese Umstände müssen nach der Art des jeweiligen Betriebes der Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen sein. Der Arbeitnehmer behält dann also seinen Vergütungsanspruch.Vor diesem Hintergrund wird der Arbeitgeber die Anordnung von Kurzarbeit in Erwägung ziehen. Er wird also eine Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit vornehmen wollen. Die Arbeitnehmer können dann unter bestimmten – mittlerweile in Ansehung der Corona-Krise erleichterten – Voraussetzungen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 % bzw. 67 % (Arbeitnehmer mit Kind) des fehlenden Nettogehalts geltend machen.Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Einführung von Kurzarbeit nicht einseitig auf Weisung des Arbeitgebers erfolgen kann. Es bedarf hier immer einer kollektivrechtlichen oder einzelvertraglichen Grundlage. Aufgrund des Direktionsrechts darf eine einseitige Einführung auf keinen Fall erfolgen. Fehlen also Regelungen in einem anzuwendenden Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, kann Kurzarbeit nur mit Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers erfolgen. Kann diese nicht erlangt werden, könnte eine Einführung allenfalls im Wege einer Änderungskündigung erzwungen werden (unter Einhaltung der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist). Zu erwägen ist allerdings auch eine außerordentliche und fristlose Änderungskündigung, soweit eine Existenzgefährdung des gesamten Betriebes zu befürchten wäre.
Kann der Arbeitgeber aufgrund der Corona-Pandemie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen?
- In Betracht kommen hier verschiedene Fallkonstellationen. Eine Kündigung wegen einer Ansteckung mit dem Virus wäre nach den Grundsätzen zu prüfen, die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden wären. Eine solche setzt aber einen ganz erheblichen Zeitraum der Leistungsunfähigkeit voraus. Diese Erheblichkeitsschwelle wird aber bei einer normal verlaufenden Viruserkrankung regelmäßig nicht erreicht werden. Eine Kündigung erscheint daher nur in Ausnahmefällen denkbar.In Frage käme auch eine Kündigung wegen einer verschwiegenen Viruserkrankung. In Betracht käme dann eine verhaltensbedingte Kündigung. Der Arbeitnehmer wäre dann wissentlich trotz einer ansteckenden Erkrankung am Arbeitsplatz erschienen. Er hätte dann schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Ob ein solches Verhalten allerdings unmittelbar zu einer Kündigung führen kann, dürfte fraglich sein, ist im Einzelfall unter Beachtung aller Umstände zu entscheiden. Regelmäßig wird eine vorherige Abmahnung erforderlich sein. Bei schwerwiegenden Folgewirkungen und leichtfertigem Verhalten des Arbeitnehmers wird man aber auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung ziehen müssen. Es ist daher für alle Arbeitnehmer Vorsicht geboten. Die vom Arbeitgeber auferlegten Meldepflichten sind ernst zu nehmen.Schließlich kommt auch eine betriebsbedingte Kündigung in Frage (innerbetriebliche Umstände oder außerbetriebliche Umstände). Im Hinblick auf die Corona-Krise wird man eher von außerbetrieblichen Ursachen ausgehen müssen (Auftragsmangel, Unterbrechung der Lieferkette, behördliche Betriebsschließungen). In diesem Zusammenhang genügen allerdings keine allgemeinen und nur pauschalen Umschreibungen des Kündigungsgrundes. Der Arbeitgeber behält die Darlegungs- und Beweislast, dass eine Weiterbeschäftigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen nicht mehr möglich sein soll. Er muss immer auch eine auf außerbetrieblichen Ursachen fußende Umsetzungsentscheidung darlegen und beweisen. Der Arbeitgeber muss darlegen, in welcher Weise und in welchem Ausmaß ein Zusammenhang zwischen Auftrags- und Absatzrückgang und einem Wegfallen des Arbeitsplatzes bestehen soll. Eine Kündigung stellt schließlich immer nur das letzte Mittel dar. Beispielsweise nur eher kurzfristige Auftrags- und Absatzstockungen rechtfertigen eine Kündigung nicht. Der Arbeitgeber muss wie gesagt konkret darlegen und beweisen, wie sich die innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Umstände auf die Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers auswirken sollen. Wie in allen Fällen einer arbeitgeberseitigen Kündigung muss der Arbeitnehmer bei Erhalt einer entsprechenden Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. Dies muss innerhalb einer (gesetzlichen) Drei-Wochen-Frist erfolgen (§ 4 Kündigungsschutzgesetz - KSchG). Geschieht das nicht, würde die Rechtswirksamkeit der Kündigung unwiderleglich fingiert werden. Das Arbeitsverhältnis wäre dann definitiv beendet.