Der früher nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte medizinische Behandlungsvertrag wurde durch das Patientenrechtegesetz vom 20.02.2013 in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Konkret handelt es sich um die §§ 630a bis 630h BGB. Der Gesetzgeber ordnet den Behandlungsvertrag als einen Dienstleistungsvertrag ein, was auch der früheren Auffassung in Rechtsprechung und Literatur entsprach. Die gesetzlichen Regelungen geben jedoch weitgehend nur die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze der Arzt- und Krankenhaushaftung wieder.
Neu ist jedoch die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Information über etwaige Behandlungsfehler (§ 630c Abs. 2 S. 2 BGB: „Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.“).
Vom Grundsatz her müssen für eine Haftung eines Arztes, eines Krankenhausträgers oder eines sonstigen Heilberuflers (Psychotherapeuten, Heilpraktikers, etc.) vier Voraussetzungen vorliegen:
Beweispflichtig ist grundsätzlich der Patient. Dem Patienten können aber zahlreiche Beweiserleichterungen zugutekommen. Typischerweise existieren für Fehler in der (ärztlichen) Behandlung drei Fallgruppen:
Behandlungsfehler im engeren Sinne sind Diagnosefehler, Therapiefehler, Fehler bei der therapeutischen Sicherungsaufklärung und Koordinierungsfehler. Als Aufklärungsfehler werden mangelnde Aufklärung im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten angesehen (Fehler bei der Diagnoseaufklärung und bei der therapeutischen Aufklärung, insbesondere auch mangelnde Aufklärung über Behandlungsalternativen).
Aufklärungsfehler
Den Aufklärungsfehlern zuzuordnen sind auch Fehler in der Risikoaufklärung und in der Verlaufsaufklärung. Organisationsfehler betreffen in den meisten Fällen die Krankenhaushaftung. Der Klinikbetrieb muss nämlich so organisiert werden, dass jede vermeidbare Gefährdung eines Patienten ausgeschlossen werden kann. Als zusätzliche Haftungsschuldner kommen hier auch verantwortliche Chefärzte in Betracht.
Entscheidend in Haftungsprozessen ist häufig die Frage der Beweislastverteilung. Wie in kaum einem anderen Rechtsgebiet spielt diese oftmals eine verfahrensentscheidende Rolle. Es gilt grundsätzlich die allgemeine Regel des Beweisrechts, dass der Anspruchsteller (Patient) die ihm günstigen Umstände darzulegen hat und sie auch ggf. zu beweisen hat. Soweit dieser Beweis nicht gelingt, liegt das Risiko bei dem Patienten.
Beruft sich dagegen der Patient auf eine Aufklärungspflichtverletzung, liegt es bei dem Behandler, eine ordnungsgemäß durchgeführte Aufklärung zu beweisen. Die Behandlungsseite muss dann darlegen und beweisen, dass die geschuldete Grundaufklärung „im Großen und Ganzen“ erfolgt ist. Diese Aufklärung muss auch rechtzeitig erfolgt sein. Die Behandlungsseite muss auch beweisen, dass eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten für eine zuvor nicht besprochene Operationserweiterung gegeben ist.
Liegt ein „grober“ Behandlungsfehler vor, führt das zu Gunsten des Patienten regelmäßig zu einer Beweislastumkehr. Insoweit wird auch zunächst die Kausalität für das Entstehen eines Primärschadens vermutet. Die Behandlungsseite müsste sodann beweisen, dass der „grobe“ Behandlungsfehler für die Schädigung nicht ursächlich geworden ist. Unter einem „groben“ Behandlungsfehler versteht man Verstöße gegen eindeutig gesicherte medizinische Kenntnisse und bewährte Behandlungsregeln und Erfahrungen.
Dokumentationsversäumnisse begründen grundsätzlich keine eigene Haftung. Hat es der Behandler allerdings unterlassen, medizinisch zwingend gebotene Befunde zu erheben und diese Befunde zu sichern, kann aus der Verletzung dieser Pflicht eine Beweiserleichterung bis hin zu einer Beweislastumkehr entstehen. Eine Beweislastumkehr würde beispielsweise auch angenommen werden, wenn Aufzeichnungen des Behandlers im Prozess beiseitegeschafft werden oder manipuliert würden (unabhängig davon, dass es sich hierbei um ein Vergehen des Prozessbetruges handeln würde).
Im Wesentlichen entsprechen die rechtlichen Grundlagen der Krankenhaushaftung derjenigen der Arzthaftung. Allerdings stellt die Rechtsprechung an die Pflicht des Krankenhausträgers, seinen Krankenhausbetrieb so zu organisieren, dass jede vermeidbare Gefährdung der Patienten ausgeschlossen ist, sehr hohe Anforderungen. Auf jeden Fall hat der Patient nach ständiger Rechtsprechung Anspruch auf eine ärztliche Behandlung, die dem „Facharztstandard“ entspricht. Dieser Facharztstandard ist nicht von der formellen Ernennung zum Facharzt abhängig, sondern es genügt, wenn der Arzt theoretisch wie praktisch die Behandlung so beherrscht, wie das von einem Facharzt seines Fachgebiets erwartet werden kann.
Eine Beweislastumkehr tritt im Bereich der Krankenhaushaftung ein, wenn feststeht, dass die Primärschädigung des Patienten aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren von der Krankenhausseite hätte voll ausgeschlossen werden können und müssen. Man spricht hier von einem „vollbeherrschbaren Risiko“. Der Krankenhausträger und die behandelnden Ärzte tragen deshalb auch grundsätzlich die Beweislast dafür, dass der Patient richtig auf dem Operationstisch gelagert wurde und diese Lagerung auch kontrolliert wurde. Gleiches gilt für die Behandlung durch Pflegekräfte und bei Infektionen aufgrund von Keimübertragungen durch das Krankenhauspersonal oder das medizinische Gerät.
Die zivilrechtlichen Arzthaftung wurde über Jahrzehnte vor allem durch die Rechtsprechung (Richterrecht) geprägt. Dabei haben die im Arzt-Patienten-Verhältnis bestehenden Besonderheiten Berücksichtigung gefunden. Insbesondere sind die sich aus dem Behandlungsprozess ergebenden Besonderheiten und Ungleichgewichte wie das Wissensgefälle und die fehlende Transparenz für den Patienten bezüglich Vor- und Nachsorgehandlungen und der Organisation des Behandlungsgeschehens einzubeziehen. Der Patient kann zudem als medizinischer Laie das Behandlungsgeschehen mangels fachlicher Kenntnisse kaum beurteilen. Der Arzt verfügt dagegen allein aus der Natur der Sache über ein überlegenes Sonderwissen.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch das ärztliche Erfahrungswissen limitiert ist. So wirkt der Behandler nämlich auf einen lebenden menschlichen Organismus ein, dessen physiologische und biologische Reaktionen seinem Wesen nach nicht in vollem Umfang berechenbar, vorhersehbar oder gar beherrschbar sind. Insofern ist es auch möglich, dass im Zusammenhang mit seinem ärztlichen Eingriff Gesundheitsschäden auftreten, welche bereits im menschlichen Körper angelegt und damit nicht aufzuhalten waren. Derartige Gesundheitsschäden sind nicht adäquat-kausal auf den konkreten Eingriff zurückzuführen, sind vielmehr „schicksalhaft“.
Somit ist die Beweisführung im Arzthaftungsrecht besonders schwierig, da die gesundheitliche Beeinträchtigung des Patienten im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung sowohl auf Fehlern des Behandlers als auch auf einer Prädisposition des Patienten oder sonstigen Umständen beruhen können. Es besteht Einigkeit darüber, dass den Beweisschwierigkeiten des Patienten begegnet werden muss, um unbillige Konsequenzen, nämlich den regelmäßigen Prozessverlust zu vermeiden.
Das deutsche Zivilrecht will dem dadurch begegnen, dass es sich für eine Umkehr der Beweislast entschieden hat. Im Wesentlichen gibt die Beweislast Auskunft darüber, zu Lasten welcher Prozesspartei es geht, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zweifelhaft bleibt. Es geht somit darum, welche Seite das Risiko fehlender Erkenntnis zu tragen hat und aufgrund dessen den Prozess verliert.
Grundgedanke im Arzthaftungsrecht ist, dass im Bereich der Unwägbarkeiten des menschlichen Körpers eine absolute Schadensvermeidung nicht gewährleistet werden kann. Daher besteht Einigkeit darüber, dass die Verschuldensvermutung zugunsten des Geschädigten im Kernbereich des ärztlichen Handelns keine Anwendung finden soll. So wird ein Behandlungsfehler nur dann vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Es handelt sich somit um eine sog. Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, wonach in Fällen, in welchen das Behandlungsgeschehen dem Gefahrenbereich des Behandelnden zuzurechnen ist, das Vorliegen einer Pflichtverletzung vermutet wird. Zudem wird dann, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt und dieser grundsätzlich geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Zudem wird auch dann, wenn ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt war, vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war. Man spricht auch von einer Regelung für „Anfängeroperationen und Anfängernarkosen“. So wird die Ursächlichkeit zwischen mangelnder Befähigung und Schadenseintritt dann vermutet, wenn es dem Behandelnden an der erforderlichen Befähigung zur Vornahme der Behandlung fehlte.
In der Praxis kommt dem sog. groben Behandlungsfehler eine große Rolle zu. Der Arzt muss zur Bejahung eines groben Behandlungsfehlers gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen haben, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. In diesem Falle führt der Patient kommt es für den Patienten zu einer Umkehr der Beweislast, da dem Patienten bei ärztlichen Pflichtwidrigkeiten von erheblichem Gewicht die Beweislast nicht zugemutet werde kann. Im Arzthaftungsprozess ist die Einordnung des Behandlungsfehlers als grob oder nicht grob somit oftmals von entscheidender Bedeutung für die Erfolgsaussichten in einem Prozess.
Im Arzt-, Zahnarzt- und Krankenhaushaftungsrecht gilt die allgemeine Beweisregel, dass der Patient einen (schuldhaften) Behandlungsfehler zu beweisen hat. Zweifel gehen damit immer zu seinen Lasten. Dass dieser Umstand für den Patienten oftmals misslich ist, liegt auf der Hand. Hinzu kommt nämlich noch der Umstand, dass der Patient auch noch darlegen und beweisen muss, dass gerade der (bewiesene) Behandlungsfehler den konkreten Gesundheitsschaden verursacht hat. Man spricht von zu beweisender Kausalität. Einem Prozesserfolg stehen damit zwei oftmals nur schwer zu überwindende Hürden im Wege. Das wurde für bestimmte Konstellationen als unbillig empfunden. Die Rechtsprechung hat daher schon früh versucht einen Ausweg zu entwickeln. Die (strenge) Beweislast des Patienten soll insbesondere dann nicht gelten, wenn sich der Gesundheitsschaden des Patienten in einem Bereich ereignet hat, dessen Gefahren von dem Personal und/oder vom Arzt/Zahnarzt/Krankenhausträger voll beherrscht werden kann. Diese Sachverhaltskonstellation, auch kurz als voll beherrschbares Risiko bezeichnet, findet seinen Ursprung in einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.11.1970 – VI ZR 83/69.
Mit diesem Urteil hatte der Bundesgerichtshof über den Fall eines Kindes zu entscheiden, welches nach der Geburt in der Klinik der dortigen Beklagten an einer Infektion durch den Erreger staphylococcus aureus erkankte. Zwar konnte das Leben des Kindes im Rahmen der nachfolgenden Behandlung gerettet werden, es blieben jedoch Behinderungen im Bereich des linken Beines und des rechten Armes als Folge der schweren Infektion. Da die hygienischen Umstände der Klinik im Vorfeld mehrfach von behördlicher Seite moniert worden waren, wurde ein erhöhtes Infektionsrisiko für das neugeborene Kind angenommen. Es ließ sich jedoch nicht zweifelsfrei feststellen, welcher Umstand im Ergebnis konkret für die Infektion durch den multiresistenten Keim verantwortlich war. Aufgrund dessen wiesen sowohl Erstgericht als auch Berufungsinstanz die Klage zunächst ab, ehe der Bundesgerichtshof die Sache schließlich mit neuen Denkansätzen zur Beweislastumkehr zurückverwies. So wurden nämlich erstmals Beweiserleichterungen für die Patientenseite erwogen, wenn es um Missstände und Versäumnisse außerhalb des engeren Bereichs der ärztlichen Behandlung gehe.
Dieser neue Denkansatz zur Beweislastverteilung, der zu diesem Zeitpunkt noch mit dem groben Behandlungsfehler in Vergleich gezogen und ähnlich begründet wurde, wurde erstmals mit der Entscheidung vom 10.11.1970 kreiert und später weiter verfeinert. So wurde im Rahmen der Haftung des Behandelnden für ein nicht voll funktionsfähiges Narkosegerät bald schon von voll beherrschbaren Nebenpflichten gesprochen, auf deren Einhaltung allein der Behandelnde Einfluss nehmen vermag. Zur Schaffung einer gewissen Rechtssicherheit und um den Anwendungsbereich des voll beherrschbaren Risikos überschaubar einzugrenzen, wurden von der Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt, bei deren Vorliegen ein von dem Behandelnden voll beherrschbarer Risikobereich angenommen wird. Entsprechende Fallgruppen gelten bis heute. Sie gehen davon aus, dass ein voll beherrschbarer Risikobereich in Situationen angenommen werden kann, der der tatsächlichen Behandlungsmaßnahme im engeren Sinne vor- oder nachgelagert ist. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine vollkommene Beherrschbarkeit im Rahmen einer medizinischen Behandlung nicht gewährleistet werden kann, da dem menschlichen Körper zahllose Unwägbarkeiten der menschlichen Physiologie inne wohnen. Diese Unwägbarkeiten gelten demnach als nicht beherrschbar. Die beherrschbaren Risikogruppen zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass die Verpflichtung des Behandelnden auf die Einhaltung aller notwendigen Vorkehrungen, Sicherheitsstandards und Instruktionen zu legen ist, soweit die entscheidenden Faktoren selbst beeinflusst werden können. Eingeteilt wurden die gebildeten Fallgruppen in solche, die die Benutzung und Anwendung medizinischer Geräte und Materialien, die die richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch, die die durchzuführenden Pflegedienste (Sturz des Patienten), die den Schutz vor Infektionen im Zusammenhang mit den hygienischen Verhältnissen und die die Anfängeroperationen/Anfängernarkosen betreffen. In all diesen Konstellationen ist also stets zu prüfen, ob ein voll beherrschbarer Risikobereich der eigentlichen Behandlung vor- oder nachgelagert ist und sich demnach Beweiserleichterungen für den Patienten ergeben können.
Haftungsfragen im Zusammenhang mit Anfängeroperationen oder Anfängernarkosen nehmen eine besondere Stellung im Bereich des dem Behandler oder Krankenhausträger zu unterstellenden vollbeherrschbaren Risikos ein. Vollbeherrschbar ist ein Risiko immer dann, wenn sich der Gesundheitsschaden des Patienten in einem Bereich ereignet, dessen Gefahren von dem Personal und/oder von dem Arzt/Krankenhausträger vollbeherrscht werden kann. In diesem Bereich gilt schon jeher, dass das Verschulden der Behandlerseite vermutet wird und die Behandlerseite dieses Verschulden in einem etwaigen Haftungsprozess zu widerlegen hätte. Streitig ist allerdings, ob die Patientenseite sodann die Ursächlichkeit des (vermutet schuldhaften) Handelns für den eingetretenen Gesundheitsschaden darlegen und beweisen muss oder aber die Behandlerseite sich demgegenüber entlasten muss. Im Rahmen der Patientenrechtereform wurde vor diesem Hintergrund im Hinblick auf Anfängeroperationen oder Anfängernarkosen eine eigene Regelung in § 630h Abs. 4 BGB geschaffen. Geregelt wird dort die Durchführung von Behandlungsmaßnahmen durch Behandelnde, die für die entsprechende medizinische (ärztliche) Maßnahme (noch) nicht befähigt sind, sich regelmäßig noch in Ausbildung befinden. Sinn und Zweck des § 630h Abs. 4 BGB ist („War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.“), dass in Konstellationen, in denen es dem Anfänger an der erforderlichen Befähigung fehlt, nicht nur das Verschulden aufgrund mangelnder Befähigung vermutet wird, sondern zusätzlich auch noch die Kausalität zwischen mangelnder Befähigung und tatsächlichem Schadenseintritt. Das stellt für den Patienten eine ganz erhebliche Beweiserleichterung dar und kann in einem Arzthaftungsprozess oftmals prozessentscheidend sein. Umgekehrt ist der Einsatz eines Anfängers für die Behandlerseite mit ganz erheblichen Haftungsrisiken verbunden und muss daher stets mit der gebotenen Sorgfalt geschehen.
Betrachtet man die Sache weitergehend, ist zudem festzustellen, dass im Rahmen von Anfängeroperationen meist mehrere eigenständige Fehler zu unterscheiden sind: So findet nämlich häufig auch ein Fehlverhalten bereits auf organisatorischer Ebene, nämlich auf Seite des Krankenhausträgers bzw. des Vorgesetzten des Anfängers statt, indem der Anfänger entgegen noch nicht ausreichender fachlicher Qualifikation ohne notwendige Aufsicht den entsprechenden Eingriff durchführen darf. Ein weiterer Fehler findet sich sodann ggf. auf nachgelagerter Ebene, wenn der Anfänger nicht ausreichend überwacht wird. Der Vorwurf des originären Behandlungsfehlers trifft den Behandler (Anfänger) mithin selbst, oftmals einen Assistenzarzt, dessen Fehlverhalten unmittelbar zur Schädigung des Patienten führt.
Im Ergebnis besteht auch Einigkeit darüber, dass die Organisation des Personalmanagements in den Bereich fällt, der mehrfach als vollbeherrschbar anzusehen ist. Der Bundesgerichtshof verdeutlichte beispielsweise in seinem Urteil vom 27.09.1983 – Az. VI ZR 294/81, dass es einzig dem Krankenhausträger bzw. dem jeweils leitenden Arzt obliegt, organisatorische Abläufe (auch solche, die sich außerhalb des konkreten Behandlungsgeschehens ereignen) so zu organisieren, dass eine Schädigung des Patienten ausgeschlossen wird. Hierunter fällt insbesondere die Koordination des Pflege- und Hilfspersonals sowie die Einteilung der tatsächlich Behandelnden und deren Eingliederung in den Operationsplan. Unabhängig davon, dass die Behandlungssituation im Wesentlichen der alleinigen Kontrolle des Behandlers unterliegt, muss der Anfänger auf nachfolgender Stufe darüber hinaus auch noch überwacht werden. Ein vollkommen unerfahrener Behandler muss dabei rein denknotwendig direkt überwacht werden und der unmittelbaren Eingriffsmöglichkeit eines qualifizierten (Fach-)Arztes unterstehen. Allerdings bestehen Abstufungen dahingehend, welche Überwachungspflichten im konkreten Einzelfall anzuwenden sind. So wird eine Abstufung hinsichtlich der Eingriffs- und Aufsichtsmöglichkeiten des Facharztes angenommen, indem – je nach Ausbildungsstand des Anfängers und nach Schweregrad der durchzuführenden Behandlung- nicht unbedingt ein direktes Beisein, sondern lediglich ein Sichtkontakt bzw. eine Rufbereitschaft für ausreichend erachtet werden kann. Somit obliegt es im Einzelfall der Verantwortung des jeweils beaufsichtigenden Arztes und/oder der organisierenden Stelle, den jeweils geltenden Grad der Überwachungspflicht festzulegen. Dass es sich hierbei für die Behandlerseite um risikobehaftete und schwierige Abwägungsfragen und demnach um eine Gradwanderung handelt, liegt auf der Hand. Umgekehrt bieten entsprechende Fallkonstellationen für den Patienten eine Reihe von Anknüpfungspunkten für eine Haftung der Behandlerseite. Auch in dieser Frage zeigt sich die Komplexität des im Arzthaftungsrecht bestehenden Haftungsregimes.
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