Zeugnis

Ein sehr konfliktträchtiges Thema des Arbeitsverhältnisses ist der Zeugnisanspruch. Die entsprechende Verpflichtung zur Zeugniserteilung des Arbeitgebers ergibt sich aus § 630 BGB. Diese Vorschrift verweist mit ihrem Satz 4 auf § 109 der Gewerbeordnung (GewO). § 109 GewO findet aufgrund dieser Verweisung auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung, nicht nur auf die Arbeitsverhältnisse der gewerblichen Arbeitnehmer. Insbesondere gilt § 109 GewO damit auch für kaufmännische Angestellte.

Unterschieden wird zwischen einem einfachen Arbeitszeugnis und einem qualifizierten Arbeitszeugnis. Das einfache Arbeitszeugnis erstreckt sich auf die Art und Dauer der Beschäftigung. Das qualifizierte Arbeitszeugnis erstreckt sich neben der Art und Dauer der Beschäftigung auch auf die Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis. Angegeben werden müssen daher auch Tatsachen und deren Beurteilung zu Führung und Leistung.

Das Arbeitszeugnis muss schriftlich erteilt werden. Die Zeugniserteilung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Geschuldet ist eine eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers. Zu verwenden ist auch der übliche Geschäftsbogenkopf des Arbeitgebers. Bei Ausstellen des Arbeitszeugnisses kann sich der Arbeitgeber auch vertreten lassen, in diesen Fällen muss der Aussteller des Arbeitszeugnisses dann aber ranghöher als der Arbeitnehmer sein. Dem Vertreter muss also Weisungsbefugnis zukommen. Er muss auch seine Vertretungsberechtigung im Zeugnis kennzeichnen.

Maßgebliche Parameter der Leistung sind Arbeitsumfang, Güte, Tempo, Fachkenntnisse, Verhandlungsgeschick, Ökonomie und Zuverlässigkeit. Es versteht sich von selbst, dass sich das Verhalten nur auf dienstliche Belange erstrecken darf und nicht auf das Privatleben. Geschuldet ist auch eine Gesamtbeurteilung. Einmalige Vorfälle, die für das Arbeitsverhältnis nicht charakteristisch waren, gehören nicht in ein Zeugnis. Anzugeben ist auch der Beendigungsgrund.

Der Wortlaut des Zeugnisses steht im Ermessen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat in diesem Zusammenhang keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung. Das Zeugnis muss jedoch nach Form und Stil objektiv gefasst sein.

Je länger das Arbeitsverhältnis gedauert hat, desto fundierter ist die Beurteilung vorzunehmen. Doppelsinnige Ausdrucksweisen, missverständliche Formulierungen und Satzstellungen sowie das Weglassen wichtiger Parameter („beredtes Schweigen“) sind nicht zulässig. Das Zeugnis muss auch erkennen lassen, dass es sich um eine individuelle Beurteilung des Arbeitnehmers handelt. Das Arbeitszeugnis muss schließlich klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussagen treffen sollen. Das Zeugnis muss der Wahrheit entsprechen. Generell muss ein wohlwollender Beurteilungsmaßstab angelegt werden.

Hier beispielhaft einige äußerst kritische Formulierungen:

  • „… hat sich bemüht, die Arbeitsanforderungen zu erfüllen…“
    (der Arbeitsnehmer hat unzureichende Leistungen erbracht, Note 5)
  • „…zu unserer Zufriedenheit …“
    (unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistungen, Note 4 -)
  • Seine Aufgaben erledigte er stets mit Sorgfalt und Genauigkeit…“
    (allenfalls befriedigend, Note 3 -)
  • „Sein Verhalten war gut…“ oder „Sein Verhalten war stets befriedigend…“
    (nur befriedigendes und ausreichendes Verhalten, Note 3-4)
  • „Er motivierte seine Mitarbeiter …“
    (ausreichende Verhaltensbeurteilung, Note 4)
  • „…hatte stets verstanden, seine Interessen durchzusetzen…“
    (Eigeninteressen wurden stets rücksichtslos durchgesetzt)
  • „…er hat sich bemüht…“
    (Ausdruck des Tadels)
  • „…begegnete größerem Arbeitsanfall mit Ruhe und Gelassenheit …“
    (negative Beurteilung)
  • „… sicheres Auftreten auch gegenüber Vorgesetzten...“
    (Ausdruck des Tadels)
  • „Wir habe uns einvernehmlich getrennt...“
    (Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitgebers)
  • „Unsere besten Wünsche begleiten ihn …“
    (wir weinen ihm keine Träne nach)

Entspricht das Arbeitszeugnis in formeller Hinsicht nicht den gesetzlichen Anforderungen, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Neuerteilung eines Zeugnisses. Ebenfalls einen Anspruch auf Neuerteilung eines Zeugnisses hat der Arbeitnehmer, wenn das Arbeitszeugnis unrichtige Tatsachenangaben oder fehlerhafte Beurteilungen enthält.

Der Arbeitnehmer kann auch auf Erteilung oder Berichtigung eines Zeugnisses klagen. Zuständig ist naturgemäß das Arbeitsgericht. Erforderlich ist allerdings ein „bestimmter“ Klageantrag. Der Arbeitnehmer muss daher in seinem Klageantrag die zu korrigierenden Passagen selbst formulieren. Das Arbeitsgericht kann sogar gezwungen sein, den Zeugnisinhalt in seinem Urteil im Ganzen zu formulieren (um eine Sinnentstellung des Ganzen zu vermeiden). Die Zwangsvollstreckung des Zeugnisberichtigungsanspruchs erfolgt dann durch Androhung von Zwangsgeld oder Zwanghaft gegenüber dem Arbeitgeber. Dem Arbeitgeber ist es nach Geltendmachung eines Zeugniskorrekturanspruchs durch den Arbeitnehmer verwehrt, vom Arbeitnehmer unbeanstandet gelassene Passagen im Rahmen des Korrekturverlangens negativ abzuändern (keine „Verböserung“).

Im Konfliktfall stellt sich die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit seiner Darlegungen hat. Hier ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zu differenzieren: Verlangt der Arbeitnehmer eine bessere Beurteilung als die Note „befriedigend“, so ist er für die entsprechenden Tatsachenangaben und die dazugehörige Bewertung beweispflichtig. Umgekehrt ist der Arbeitgeber beweispflichtig, soweit eine schlechtere Note als die Note „befriedigend“ maßgeblich sein soll. Auf jeden Fall müssen jedoch beide Parteien in einem Zeugniskorrekturrechtsstreit ihre Behauptungen substantiiert darlegen.

Die Geltendmachung des Zeugniskorrekturanspruchs ist nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Das Berichtigungsverlangen muss allerdings innerhalb angemessener Zeit gestellt werden. Es kann ansonsten nämlich „verwirken“ (Geltendmachung verstößt gegen Treu und Glauben). Zu achten ist jedoch auch immer auf tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen (Verfallfristen). Jedenfalls für arbeitsvertragliche Ausschluss- bzw. Verfallfristen gilt eine Mindestfrist von drei Monaten, die zur Geltendmachung gegeben sein muss (regelmäßig ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Tarifvertragliche Ausschlussfristen können im Einzelfall auch kürzer sein. Die Ausschluss- bzw. Verfallfristen können auch zweistufig gestaltet sein. Das bedeutet, dass nach Ablehnung eines Anspruches durch den Arbeitgeber bzw. im Falle des Schweigens des Arbeitgebers auf einen geltend gemachten Anspruch innerhalb einer weiteren Frist Klage zum Arbeitsgericht erhoben werden muss (ebenfalls Mindestfrist drei Monate).

Der Arbeitgeber kann sich auch schadenersatzpflichtig machen, wenn er den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt, ihn „schlecht“ erfüllt oder erst verspätet erfüllt. Ein Schaden kann sich dadurch ergeben, dass der Arbeitnehmer wegen des fehlenden oder negativen Zeugnisses keine neue Arbeitsstelle findet (oder aber erst verspätet). Der Schaden liegt dann in dem entgangenen Verdienst. Der Schaden kann damit doch erheblich werden. Der Arbeitnehmer muss allerdings darlegen und beweisen, dass die Verletzung der Zeugnispflicht ursächlich für den eingetretenen Schaden war. Im Hinblick auf die Schadenshöhe kommen dem Arbeitnehmer allerdings Beweiserleichterungen zugute. Das Arbeitsgericht ist hier befugt, den Schaden unter gewissen Voraussetzungen zu schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Den Arbeitnehmer kann in diesem Zusammenhang allerdings auch ein Mitverschulden treffen. Unterlässt er es, dem Arbeitgeber rechtzeitig mitzuteilen, dass er ein Zeugnis benötigt, oder dass das erteilte Zeugnis unrichtig ist, führt das zu einer Minderung des Schadenersatzanspruchs.